Archiv der Kategorie: Programm mit Abstracts

Programm „MATERIELLE PERSPEKTIVEN ZU ALTER & ALTERN IN DER ARCHÄOLOGIE“

Generiert mittels des Sektionstitels durch die KI Craiyon

Programm der Sektion der AG TidA auf der Verbandstagung des WSVA/MOVA/NWVA in Tübingen am 25.9.2023 (download als pdf), organisiert durch Stefan Schreiber, Martin Renger und Tina Beck

Materielle Perspektiven zu Alter & Altern in der Archäologie. Soziale & somatische Beziehungen zwischen Menschen & Dingen


Montag 25.9.2023, Uni Tübingen, Neue Aula, Raum 05

09:30–10:00 • Martin Renger, Tina Beck & Stefan Schreiber • Materielle Perspektiven zu Alter & Altern in der Archäologie. Eine Einführung

10:00–10:20 • Stefan Scheiber • Zusammen-Alt-Werden. Ontologische Überlegungen zu materiellen Biopolitiken des Alterns

10:20–10:30 • Diskussion

10:30–11:00Kaffeepause

11:00–11:20 • Brigitte Röder • Ein Forschungsfeld in Kinderschuhen: ältere Menschen in der Urgeschichte

11:20–11:30 • Diskussion

11:30–11:50 • Eva Stauch • Alt werden im Frühmittelalter

11:50–12:00 • Diskussion

12:00–12:20 • Karina Iwe • Vorstellungen zu Alter & Altern in der bei den skythenzeitlichen Reiternomaden – lässt sich hierzu überhaupt eine zuverlässige Aussage treffen?

12:20–12:30 • Diskussion

12:30–14:00Mittagspause

14:00–14:20 • Philipp Tollkühn • Alter als Thema in der musealen Bildung und Vermittlung

14:20–14:30 • Diskussion

14:30–15:30 • Tina Beck & Martin Renger • Spotlights und Debatten

15:30–16:00 • Kaffeepause

16:00–17:30 • Mitgliederversammlung der AG TidA


Abstracts

Zusammen-Alt-Werden. Ontologische Überlegungen zu materiellen Biopolitiken des Alterns
Stefan Scheiber

Alt werden ist nicht nur ein biologischer Vorgang, sondern durchzieht auch soziale, politische und kulturelle Bereiche des Lebens. In meinem Vortrag möchte ich all diese Bereiche verbinden und sie als Biopolitiken des Alterns verstehen. Zur Untersuchung solcher (antiken) Biopolitiken stelle ich einige ontologische Überlegungen in den Mittelpunkt. In Anlehnung an die Konzepte des ‚Anders-Werdens‘ bei Gilles Deleuze und Rosi Braidotti, sowie des ‚Gemeinsamen Werdens‘ bei Donna Haraway versuche ich, Altwerden als ‚Zusammen-Alt-Werden‘, als einen nichtlinearen Prozess aus multiplen Brüchen, Verflechtungen, Relationierungen und Materialisierungen zu konzeptualisieren. Dieser wird durch die jeweiligen zu historisierenden materiellen Biopolitiken gesteuert, mit denen über das eigene und fremde Leben, dessen Regulierung, Verbesserung, aber auch Kontrolle, Optimierung und Ausbeutung entschieden wird. Dabei umfassen Biopolitiken einerseits Mikropolitiken sozialer Praktiken, die zwischen einer Vielzahl von Akteuren performativ reproduziert werden. Andererseits werden sie auch durch die Makropolitik gesellschaftlicher Praktiken der Subjektivierung reproduziert. Es gilt daher, für eine Konzeption des ‚Zusammen-Alt-Werdens‘ den Blick auf eben jene Biopolitiken zu werfen, da durch sie erst gemeinsame Erfahrungen des erlebten Miteinander des Altwerdens möglich werden.

Ein Forschungsfeld in Kinderschuhen: ältere Menschen in der Urgeschichte
Brigitte Röder

‚Alter‘ und ‚Altern‘ sind keine biologischen Tatsachen, sondern werden stets kulturell gedeutet. Deshalb beginnt prähistorische Altersforschung hier und heute – und zwar mit einer Reflexion der lokalen und historischen Situierung dieser Konzepte und ihrem potentiellen Einfluss auf die archäologische Forschung. Diese Klärung ist umso wichtiger, als die rund 3 Millionen Jahre lange Urgeschichte mündliche Gesellschaften betrifft, die keine schriftlichen Selbstzeugnisse hinterlassen haben. Andernfalls besteht die Gefahr, Wissenslücken mit heutigen Erfahrungen, Altersbildern und -stereotypen zu füllen.

Den unmittelbarsten Zugang zu individuellen und kollektiven Lebensverhältnissen älterer Menschen in der Urgeschichte erlauben sterbliche Überreste, die von der Prähistorischen Anthropologie im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand u.v.a.m. analysiert werden. Aufgrund methodischer Probleme bei der osteologischen Altersschätzung wurden das maximal erreichbare Lebensalter, die mittlere Lebenserwartung und der Anteil älterer Menschen bislang deutlich unterschätzt. Dank verbesserter methodischer Ansätze und neuer paläodemographischer Studien werden diese Fehleinschätzungen nun korrigiert.

Zwar liegen erst wenige Fallstudien vor, doch es zeichnet sich bereits ab, dass auch für die Urgeschichte mit vielfältigen Formen des ‚Älterwerdens‘ und des ‚Altseins‘ zu rechnen ist. Ausserdem verändert Altersforschung den Blick auf prähistorische Gemeinschaften. In der Folge entstehen neue Forschungsfragen – z. B. nach der Bedeutung älterer Menschen in mündlichen Gesellschaften für die Tradierung von kulturellem Wissen, im Hinblick auf ihre Rolle bei der Organisation des Lebensalltags sowie nach Sorgepraktiken und dem Generationenverhältnis. Auch wenn aufgrund der fragmentarischen Quellenlage manche Fragen nicht (restlos) beantwortet werden können, sind sie dennoch produktiv, weil sie ein komplexeres und damit auch realistischeres Bild von urgeschichtlichen Gemeinschaften generieren und zugleich eine Reflexion über ‚Alter(n) hier und heute‘ anregen.

Alt werden im Frühmittelalter
Eva Stauch

Individualität kann sich nur abzeichnen vor dem Hintergrund von Normen – also vor den in einer Gesellschaft üblichen Erwartungen und Verhaltensweisen. Der Vortrag unternimmt den Versuch, sich auf der Basis archäologischer Quellen an die im merowingerzeitlichen Süddeutschland geltenden Normen heranzutasten. Dabei stehen Normen des äußeren Erscheinungsbildes und Rollenerwartungen quellenbedingt im Vordergrund. Die Analyse von 1700 Erwachsenenbestattungen macht deutlich, in welchem Maß äußere Erscheinung und Rollenattribute an Geschlecht und Lebensalter der Bestatteten gebunden sind und eröffnet damit einen Blick auch auf die spezifische Situation alter Menschen. Die Studie offenbart das in der gemeinsamen Analyse archäologischer und anthropologischer Daten liegende Potential für sozial- und mentalitätsgeschichtliche Fragestellungen und eröffnet den Weg in eine archäologische Lebenslaufforschung.

Vorstellungen zu Alter & Altern in der bei den skythenzeitlichen Reiternomaden – lässt sich hierzu überhaupt eine zuverlässige Aussage treffen?
Karina Iwe

Eine Auseinandersetzung mit skythenzeitlichen Reiternomaden im eurasischen Steppengürtel, und insbesondere mit der Pazyryk-Kultur, offenbart eine große materielle Bandbreite. Die organische Erhaltung in den Gräbern Südsibiriens beeindruckt sehr, doch fällt es schwer, trotz dieser bemerkenswerten Nachweise Rückschlüsse zu Konzepten und Vorstellungen von Altern und Alter bei den nomadisch geprägten Verbänden zu ziehen. Hier gilt es zu prüfen, welche Indizien Hinweise geben könnten.

Ein weiterer Aspekt zum Thema Alter & Altern sind Visualisierungen, die in Museen oder auch Publikationen präsentiert werden. Es sind im Bereich der Reiternomaden v.a. kraftstrotzende Darstellungen von Kriegern zu Pferden oder auch Männer der Elite mit ihrer reich bestückten Kleidung. Die Zeichnung des Mannes aus Aržan 2 (Tuva) soll näher vorgestellt werden. Eine mikroskopische Untersuchung seiner Knochen ergab Veränderungen, die typisch für Prostatakrebs sind. Und trotzdem zeigt die Visualisierung den Mann in einer Weise, die keine Rückschlüsse auf das Leiden bzw. die Gebrechlichkeit zulässt. In diesem Abschnitt soll der Frage nachgegangen werden, ob das Altern und damit einhergehende körperliche Einschränkungen Eingang in Visualisierungen finden. Der Beitrag dient der Annäherung an das Thema Alter & Altern.

Alter als Thema in der musealen Bildung und Vermittlung
Philipp Tollkühn

Ein vollbärtiger Mann mit gräulichem langen Haar trägt eine Hirschgeweihmaske auf dem Kopf; ein ebenfalls vollbärtiger, grauhaariger Mann mit tiefen Falten im Gesicht formt eine Frauenstatuette – Museale Rekonstruktionen erzeugen und verfestigen Vorstellungen über die Vergangenheit bei Besucher*innen. Gleichzeitig sind sie auch Ausdruck dessen, wie sich Kurator*innen die Vergangenheit vorstellen. Im Haus Bastian – Zentrum für kulturelle Bildung der Staatlichen Museen zu Berlin wird ein anderes Konzept verfolgt. Das eigens konzipierten Überthema (Verstärkerthema) mit dem Titel „Was bist Du, Alter?“ im Jahr 2020 bot Besucher*innen Impulse und Fragen zum Thema Alter an, die diese dann mit künstlerischen Methoden eigenkreativ bearbeiten konnten. Es entstanden individuelle Reflexions- und Erkenntnisgewinne, die wiederum das Potential besitzen, wertvolle Impulse für die wissenschaftliche Betrachtung des Materials zu liefern. Im Vortrag wird das Konzept des Verstärkerthemas und der künstlerisch-praktischen Vermittlungsmethoden vorgestellt sowie die Ergebnisse und deren mögliche Nutzbarkeit in der Archäologie diskutiert.

Online-Tagung „KATEGORIENBILDUNG UND DANN? KOMPLEXITÄT, WIDERSPRÜCHLICHKEIT UND VIELFALT ARCHÄOLOGISCH BEGREIFEN“

Gemeinsam mit der AG Geschlechterforschung wird die AG Tida am 5.–6.4.2022 zu „Kategorienbildung und dann? Komplexität, Widersprüchlichkeit und Vielfalt archäologisch begreifen“  digital via ZOOM tagen. Nach Verschiebungen der Altertumsverbandstagungen aufgrund von Corona hat sich die Tagungsorganisation entschieden, eine unabhängige Online-Tagung durchzuführen. Bis zum 31.3.2022 wird dafür um Rückmeldung der Teilnahme unter Kategorienbildung2022@gmx.net gebeten. Die Teilnahme ist kostenlos. Organisiert wird die Tagung von Hanna Jegge, Jana Esther Fries und Sophie-Marie Rotermund.

Den Flyer mit dem Einladungstext findet Ihr hier:

Die Abstracts könnt ihr im Abstract-Heft einsehen und herunterladen:

Programm „Kategorienbildung und dann? Komplexität, Widersprüchlichkeit und Vielfalt archäologisch begreifen“

Gemeinsame Session der AG Geschlechterforschung und der Theorien in der Archäologie auf der Verbandstagung des MOVA und WSVA in Jena 4.-7.04.2022

Organisiert durch: Hanna Jegge, Jana Esther Fries und Sophie-Marie Rotermund

Tag 1 Nachmittag

14.00 – 15.30 Uhr 2 Input Vorträge (á 20 min.)

  • Hanna Jegge • Begrüßung
  • Sophie Rotermund, Jana Esther Fries • Kategorienbildung und dann?
  • Claudia Maria Melisch • Prinzessin von Berlin-Britz

16.00-17.30 Uhr World Café:
Vom Nutzen und der Unvermeidlichkeit von Kategorien

Tag 2 Vormittag

8.30 – 10.00 Uhr 3 Input Vorträge (á 20 min.)

  • Michaela Helmbrecht • Komplexität, Widersprüchlichkeit und Vielfalt archäologisch begreifen – und sprachlich umsetzen. Gedanken einer Sprachfetischistin
  • Stefan Schreiber • Queere Geschlechter – relationale Subjekte? (Warum) Sind Geschlechter dual resilienter?
  • Eleonore Pape • Grenzen traditioneller und Potentiale revidierter Geschlechtsbestimmungsmethoden für die Interpretation von Gender anhand prähistorischer Bestattungen

10.30-12-30 Uhr World Café:
Wieso Kategorien unser Denken begrenzen

Tag 2 Nachmittag

14.00 – 15.30 Uhr 2 Input Vorträge (á 20 min.)

  • Daniela Nordholz • Identitäten (gender und mehr) im Spätpaläolithikum und Mesolithikum
  • Sonja Grimm, Daniel Gross • Göttinnen und Jäger – Genderdebatte und Stereotype in der Wildbeuter-Archäologie (digital)
  • Philipp Tollkühn • Männliche Hofbesitzer in der Bandkeramik?!

16.00 – 17.30 Uhr World Café:
Komplexität begreifen – aber wie? Für einen besseren Umgang mit Kategorien

Download des Programms und der Abstracts hier

Programm „Kategorienbildung und dann? Komplexität, Widersprüchlichkeit und Vielfalt archäologisch begreifen“ weiterlesen

Programm der Sektion „Mensch – Körper – Tod. Der Umgang mit menschlichen Überresten im Neolithikum“

Am 02.-04.4.2019 veranstalten wir auf der Tagung des West- und Süddeutsche Verbandes für Altertumsforschung (WSVA) und des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung (MOVA) gemeinsam mit der AG Neolithikum eine (vor allem) zeitspezifische Sektion. Thema ist dieses Mal „Mensch – Körper – Tod. Der Umgang mit menschlichen Überresten im Neolithikum“.

Programm (auch hier zum downloaden)

Dienstag, den 02.04.2019

10:00 – 12:30 Uhr • Mitgliederversammlung der AG TidA

12:30 Uhr • Mittagspause

14:00 Uhr • Nadia Balkowski, Kerstin P. Hofmann, Isabel Hohle, Nils Müller-Scheeßel, Almut Schülke, Begrüßung und Einleitung (Organisatorisches und Inhaltliches)
14:50 Uhr • Ulrich Veit, Jenseits von Historismus und Anthropologie: Überlegungen zu einem kulturtheoretischen Rahmen für das Studium neolithischer Praktiken der Totenbehandlung

15:30 Uhr • Kaffeepause

16:00 Uhr • Heidi Peter-Röcher, Gewalt an Lebenden – Gewalt an Toten: zu Kontexten und Interpretationsmöglichkeiten menschlicher Überreste

Mittwoch, den 03.04.2019

09:00 Uhr • Franziska Holz, Die Abgrenzung prä- und perimortaler knöcherner Verletzungen von postmortalen Defekten – illustriert an ausgewählten Schädeln aus dem Beinhaus von St. Lubentius (Limburg-Dietkirchen)

10:00 Uhr • Kaffeepause

10:30 Uhr • Franz Pieler, Maria Teschler-Nicola, Asparn/Schletz: Archäologische und anthropologische Bestandsaufnahme und Ausblick
11:10 Uhr • Johanna Ritter, „Wo sind all die Toten hin?“ Theorien und Konzepte zum bandkeramischen Bestattungswesen in Hessen
11:50 Uhr • Joachim Pechtl, Vielfalt in Leben und Tod – linienbandkeramische Bestattungskollektive in Südbayern

12:30 Uhr • Mittagspause

14.00 Uhr • Nils Müller-Scheeßel, Ivan Cheben, Zuzana Hukelova, Martin Furholt, Kopflose Skelette und aufgebahrte Leichen: Die Toten der bandkeramischen Siedlung von Vráble/Südwestslowakei im Vergleich mit gleichzeitigen Kollektiven
14:40 Uhr • Postersession:
Benjamin Spies, Eine Menschenzahnkette der jüngeren Bandkeramik aus Mainfranken
Julia Hahn, Wie tickten die Taubertaler? Das schnurkeramische Gräberfeld Markelsheim-Fluräcker im regionalen Vergleich aus anthropologischer Sicht

15:30 Uhr • Kaffeepause

16:00 Uhr • Alexander Gramsch, Birgit Großkopf, Das Itinerarium des menschlichen Körpers. Eine interdisziplinäre Spurensuche

Donnerstag, den 04.04.2019

09:20 Uhr • Stefan Schreiber, Sabine Neumann, Vera Egbers, “I like to keep my archaeology dead”. Entfremdung und “Othering” der Vergangenheit als ethisches Problem

10:00 Uhr • Kaffeepause

10:30 Uhr • Sara Schiesberg, Christoph Rinne, Knochen – Teilverband – Skelett. Neue Untersuchungsergebnisse und interkulturell vergleichende Überlegungen zum Totenritual kollektiv bestattender Populationen
11:10 Uhr • Christoph Steinmann, Artikulierte und disartikulierte menschliche Überreste in der Mecklenburgischen Megalithik
11:50 Uhr • Mitgliederversammlung der AG Neolithikum

12:30 Uhr • Mittagspause

14:00 Uhr • Torsten Schunke, Der Umgang mit den Ahnen bei Salzmünde, Saalekreis – Die Umbettung eines Kollektivgrabes der Bernburger Kultur und nachfolgende Eingriffe in den Befund
14:30 Uhr • Martin Nadler, Gedanken zu den sog. Silobestattungen der Münchshöfener und Michelsberger Kultur
15:00 Uhr • Rouven Turck, Niels Bleicher, Leben und Sterben auf dem Abfallhaufen? Menschliche Skelettreste in Jungsteinzeitlichen Seeufersiedlungen (ZH-Opéra)?

15:30 Uhr • Kaffeepause

16:00 Uhr • Clara Drummer, Grabhandlungen oder Handlungen am Grab? Die Bedeutung schnurkeramischer Scherben und unterschiedlicher Bestattungskonzepte am Beispiel des Galeriegrabes Altendorf, Lkr. Kassel

16:40 Uhr • Abschlussdiskussion

Programm der Sektion „Mensch – Körper – Tod. Der Umgang mit menschlichen Überresten im Neolithikum“ weiterlesen

CE-TAG 2018 „The Production of Space and Landscape“ – 8.-9. Oktober 2018

Vom 8. bis 9. Oktober 2018 findet an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg die  5. Konferenz der ‚Central European Theoretical Archaeology Group‘ zum Thema ‚The Production of Space and Landscape‚ statt.

Conference venue: Haus zur Lieben Hand, Löwenstraße 16, 79098 Freiburg, Germany

Organizing committee: Michael Kempf and Margaux Depaermentier, Archaeological
Institute, Dep. Early Medieval and Medieval Archaeology, University of Freiburg.

Registration fee: €20 (payable upon arrival at the conference venue)

Conference language: The official language of the conference is English.

Programme (auch als downloadbares pdf sowie mit abstracts):

Monday, 8th October 2018

10:15 Registration

10:45 Conference Opening

11:00 Keynote Lecture: Moving in space and time – Thomas Meier

12:00 Lunch Break

1. Concepts and Cognition

13:30 Spaces and Places. A Foucaultian inspired theoretical commentary – Martin Renger, Stephanie Merten

13:50 Landscape, spacing and the modern megalithic thinking – Karolína Pauknerová

14:10 Is it Greek? Reconsidering social space in Ai Khanum – Artur Ribeiro, Milinda Hoo

14:30 Virgil and the production of ‚mixed‘ landscape: surroundings of
Taranto in Georgics (4.125-140) – Francesca Boldrer

14:50 Coffee Break

15:10 „Was Gott durch einen Berg getrennt hat“ … Boundaries as practice
and phenomenon of attribution – Alexander Gramsch

15:30 Physical versus cognitive maps in modeling hunter-gatherers spatial
behavior: The case of Late Paleolithic groups in the eastern part of
the North European Plain – Aleksandr Diachenko, Iwona Sobkowiak-Tabaka

15:50 Landscape Marking in the Ulúa Iconographic Tradition – Kathryn M. Hudson, John S. Henderson

16:10 Mapping the Invisible Landscape – Miguel Costa

16:30 General Discussion
17:00 Wine reception and Apéro dînatoire – Venue: Archaeological Institute, Dep. Prehistoric Archaeology, Early Medieval and Medieval Archaeology, Belfortstrasse 22, 79098 Freiburg – Inner Courtyard.

Tuesday, 9th October 2018
2. Tools and Application

9:00 “Invisible scenarios, creating space in buried context. Experiences,
limits and perspectives” – Fabiana Battistin

9:20 Modelling Mesopotamia – The production of emerging power
relations in an irrigated landscape – Maurits W. Ertsen

9:40 Testing methods for identifying boundaries in archaeology – Irmela Herzog

10:00 Errands for erratics: modelling and explaining megalithic spacing on
glacial moraines – Eva Rosenstock, Marcus Groß

10:20 Coffee Break

10:40 Diffusing archaeological space – Matthias Kucera

11:00 “The use of Space Syntax for studying buried cities: the case of the
Roman town of Falerii Novi (IT)”
Fabiana Battistin

11:20 Urban kinaesthetics – movement in constructed space – Monika Baumanova

11:40 On the orientation patterns of the Central European Neolithic circular
enclosures according to geographical regions – Judit P. Barna, Emília Pásztor, Jaromír Kovárník, István Eke

12:00 Lunch Break

13:30 On the Significance of Landscape in Minoan Archaeology – Sebastian Adlung

13:50 On the way to the mountains – Relation between the lowland and
piedmont areas in the Late Bronze Age – Anna Augustinová

14:10 An Iron Age liminal landscape on the Swabian Jura, SW Germany – Jan Johannes Ahlrichs

14:30 Coffee Break

14:50 The fragmentation of landscape – Early Medieval land-use strategies
and settlement continuity in the Upper Rhine Valley – Michael Kempf

15:10 Societies, space and structures – Susanne Brather-Walter

15:30 General Discussion

16:00 End of Meeting

Programm der Sektion „(Un)Sichere Geschichte(n): Archäologie und (Post)Faktizität“

Am 20.-21.3. veranstalten wir auf der Tagung des Mittel- und Ostdeutschen Verbandes für Altertumsforschung (MOVA) und des West- und Süddeutsche Verbandes für Altertumsforschung (WSVA) gemeinsam mit dem Forum Archäologie in Gesellschaft (FAiG) wieder eine Sektion. Thema ist dieses Mal „(Un)Sichere Geschichte(n): Archäologie und (Post)Faktizität“

Programm (auch hier zum downloaden)

Dienstag, den 20.03.2018

8:45 Uhr • Stefan Schreiber (Berlin) / Kerstin P. Hofmann (Frankfurt a. M.), Begrüßung
9:00 Uhr • Artur Ribeiro (Kiel), Archaeology and the real: considerations on reality and the sciences
9:30 Uhr • Vesa Arponen (Kiel), Der „Reflective Turn“ in der Archäologie

10:00 Uhr • Kaffeepause

10:30 Uhr • Sophie-Marie Rotermund (Hamburg) / Geesche Wilts (Hamburg) / Stefan Schreiber (Berlin), Angst vor der Postfaktizität? Vergangenheiten als Bricolage
11:00 Uhr • Thomas Meier (Heidelberg), Vergesst Fakten
11:30 Uhr • Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.), „Archäologie ist die Suche nach Fakten. Nicht nach der Wahrheit.“ Postfaktizität an Beispielen aus der (Provinzial-Römischen) Archäologie
12:00 Uhr • Alexander Hilpert (Saarbrücken), „Die Villa der Secundinier“? Die römische Villa von Nennig und ihre „unsichere Geschichte“ im Spiegel der Forschung nach 1866

12:30 Mittagpause & Ende Tag 1 der Sektion (Un)Sichere Geschichte(n)

Mittwoch, den 21.03.2018

09:00 Uhr • Karin Reichenbach (Leipzig), Wem gehört die Vergangenheit? Archäologisches Reenactment als populäre Form der Geschichtsaneignung zwischen Postmoderne und Postfaktizität
09:30 Uhr • Ralf Hoppadietz (Bibracte), Versicherte Geschichte. Reenactment als Geschichtsvermittlung zwischen Post- und Kontrafaktizität

10:00 Uhr • Kaffeepause

10:30 Uhr • Rüdiger Krause (Frankfurt a. M.) / Rupert Gebhard (München), Das Narrativ von Bernstorf. Wissenschaftliches und Postfaktisches zu den Gold- und Bernsteinfunden
11:00 Uhr • Felix Wiedemann (Berlin), Die Einsichtigkeit der Erzählung. Formen narrativer Evidenz in den historischen Wissenschaften
11:30 Uhr • Lukas Bohnenkämper (Basel), Schwarz-Weiß-Malereien: Ägypten und Kusch zwischen Afro- und Eurozentrismus
12:00 Uhr • Kerstin P. Hofmann (Frankfurt a. M.), Erzähl mir doch (k)eine Geschichte(n)!

12:30 Uhr • Mittagspause

14:00 Uhr • Stefan Solleder (Berlin), Wann ist die Rekonstruktion der Vergangenheit wissenschaftlich? Theoretische Überlegungen anhand des Falls „Nordirlandkonflikt“
14:30 Uhr • Bärbel Auffermann (Mettmann), Von der Schatzkammer zum sozialen Raum
15:00 Uhr • Laura Löser (München), Mut zur Lücke. Ein Plädoyer für Bedeutsamkeit und Chance von Unsicherheit in archäologischer und historischer Museumsvermittlung

15:30 Uhr • Kaffeepause

16:00 Uhr • Doris Gutsmiedl-Schümann (Berlin), Archäologiestudiengänge zwischen (re)konstruierter Vergangenheit und historischer Wahrheit
16:30 Uhr • Jana Anvari (Berlin) / Eva Rosenstock (Berlin), Neolithic Doom: negative Darstellungen der Neolithisierung in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen

17:00 Uhr • Abschlussdiskussion


Abstracts

Artur Ribeiro (Kiel), Archaeology and the real: considerations on reality and the sciences

One of the most interesting aspects of twentieth century scholarship is the rise of a dichotomy separating the real from the unreal. Whereas in the philosophy of the 17th to the 19th century there was much discussion concerning whether knowledge depended primarily on empirical observation (empiricism) or on human faculties (idealism), in the 20th century we can recognize a shift towards discussions on what is ontologically real and what is not. This new development has generated countless debates and has added more confusion to our understanding of the role of science in society.

This differentiation of what is real and unreal is also what underlines the rise of new philosophical trends like object-oriented ontology, assemblage theory, and speculative realism. However, a closer look at this differentiation in these new philosophical trends reveals a series of fallacies and inconsistencies. What is “real” is apparently decided by scholars and scientists by completely arbitrary means and imposed authoritatively. A more coherent and productive way of thinking about reality is to return to common-sense and follow the Wittgensteinian principle that it is ordinary language which establishes our understanding of what is real and what is not.

In archaeology this means a return to more solid factual and evidential ground – one that is not bogged down by artificial and arbitrary distinctions between ontology, epistemology, constructed, and real. Furthermore, this aligns with postfactuality: we are now entering a period which should not be feared, much on the contrary, we should embrace postfactuality as an intellectual achievement given that it forces us, as a society, to recognize a clear and commonsensical distinction between what is real and fake.

Vesa Arponen (Kiel), Der „Reflective Turn“ in der Archäologie

Im philosophischen Critical Realism wird vom Epistemic Fallacy gesprochen: „that statements about being can always be transposed into statements about our knowledge of being” (Bhaskar 2008). Laut Critical Realism ermöglicht dieser „Irrtum” den Skeptiker zu behaupten, dass „our knowledge” immer im Prinzip vom „being”, Fakten, getrennt sein wird. Der kritische Realismus vertritt im Gegensatz dazu die Meinung, dass der Begriff der Wissenschaftlichen Untersuchungen nicht ohne das „Sein“ als strukturierter, regelmäßiger, vom Mensch unabhängiger Mechanismus aufgefasst werden kann.

Der Vortrag soll die Bedeutung dieser Debatte für die Geisteswissenschaftliche Forschungs­praxis evaluieren und dies anhand von Beispielen aus der archäologischen Praxis darstellen. Die Wissenschaft wird als ein dialogischer Prozess dargestellt, indem der Begriff des „Reflective Turn“ an Bedeutung gewinnt. Der wissenschaftliche Prozess wird als von Paradigmen gesteuert verstanden, welcher die Wichtigkeit der Selbst-Reflexivität und des ordentlichen, wissenschaftlichen Verfahrens darstellt. Dieser kann als eine Alternative gesehen werden, die auch z.B. aus konstruktivistischer Sicht betrachtet, verständlich sein kann: „knowledge must be viewed as a produced means of production and science as an ongoing social activity in a continuing process of transformation“ (Bhaskar 2008). In den Beispielen wird die Rolle der verschiedenen Begriffe der Macht und Ungleichheit in der archäologischen Interpretation diskutiert.

Literatur: Roy Bhaskar, A Realist Theory of Science (London / New York 2008 [1975]).

Sophie-Marie Rotermund (Hamburg) / Geesche Wilts (Hamburg) / Stefan Schreiber (Berlin), Angst vor der Postfaktizität? Vergangenheiten als Bricolage

Die Angst vor der Postfaktizität macht sich auch in der Archäologie bemerkbar. Jedoch greift ein Zurückziehen auf vermeintlich sichere, empiristische Positionen, wie sie bisweilen im Glauben an objektive, naturwissenschaftliche Methoden oder die Faktizität archäologischer Materialität praktiziert wird, häufig zu kurz. Denn Archäolog*innen sind nicht, und waren nie, die einzigen Akteure der Vergangenheitskonstruktionen.

Archäologische Konstruktionen unterscheiden sich durch eine methodische und kohärente Darstellung von anderen, zum Teil öffentlichkeitswirksameren Darstellungen. Eine Trennung in „faktische“ Wissenschaft und „postfaktische“ un-/nicht-/pseudowissenschaftliche Diskurse ist unserer Meinung aber nicht ausschlaggebend für den Erfolg vergangen­heitsbezogener Konstruktionen. Vielmehr ist es immer bereits eine Gemengelage aus unterschiedlichsten Interessen und Assoziationen, deren Qualität sich an der Viabilität und Anschlussfähigkeit an Erfahrungen und andere Konstruktionen bemisst (von Glasersfeld 1992, 30).

Wir wollen daher in unserem Vortrag mit Rekurs auf das Konzept der Bricolage nach Claude Lévi-Strauss (1991 [1962]) an verschiedenen Beispielen diskutieren, wie vielschichtig der Konstruktionsprozess der Vergangenheit ist. Denn dieser speist sich nie ausschließlich aus faktischem Wissen, sondern immer auch aus diversen anderen Quellen wie eigenen Interessen, Spielen, Filmen, Romanen, Sagen, Erzählungen, Märchen, Wünschen und Ängsten. Auf welche Art und Weise werden diese Quellen zusammengesetzt und welche Rolle spielt hierbei die Faktizität? Können und sollen faktische und ethische Qualitäten Einfluss auf die Vergangenheitskonstruktionen haben? Erst wenn wir verstehen, wie die Vergangenheiten als Bricolage entstehen, lassen sich die Aufgaben und Herausforderungen einer Archäologie im “postfaktischen Zeitalter” einschätzen und zugleich erkennen, dass wir schon immer in einem solchen leben.

Literatur: Ernst von Glasersfeld, Aspekte des Konstruktivismus: Vico, Berkeley, Piaget, in: Gebhard Rusch – Siegfried J. Schmidt (Hrsg.), Konstruktivismus: Geschichte und Anwendung. Delfin 1992 (Frankfurt a. M. 1992) 20–33; Claude Lévi-Strauss. Das wilde Denken. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1991 [1962].

Thomas Meier (Heidelberg), Vergesst Fakten

Die Vorstellung, dass es empirisch beobachtbare Fakten gebe, die Zugang zu einer objektiven Wahrheiten ermöglichten, entwickelte sich seit dem 17. Jahrhundert und basiert auf der Annahme, dass die wahrnehmbare Welt Rückschlüsse auf ihren Schöpfergott zulasse, der in der christlichen Vorstellung absolut und einzig wahr ist. Auch wenn die Aufklärung den christliche Gott als letzten Grund der Welterkenntnis den Wissenschaften ausgetrieben hat, haben weite Teile dieser Wissenschaften weder die Suche nach der Wahrheit als Ziel noch den Zugang über empirische Fakten in Frage gestellt. Vielmehr hat das Spurenparadigma solche Fakten als Weg zu einer – oft historisch gedachten – Wahrheit auch in den Geisteswissenschaften etabliert.

Der Vorwurf des Post-Faktischen rekurriert auf diesen kulturellen, aber absolut gesetzten Faktenbegriff und soll zugleich beschreiben, dass divergente Argumentationen die logische Struktur einer empirischen Beweisführung verleugnen. Der Begriff des Post-Faktischen führt aber in die Irre, da Meinungsunterschiede gar nicht hinsichtlich der grundsätzlichen Existenz und Beweiskraft von Fakten bestehen, sondern hinsichtlich ihrer Erkennbarkeit und Interpretationsmöglichkeiten. Insofern gehört der Begriff zu den fruchtlosen Disputen über nicht-hinterfragbare Glaubenssätze: „Die Wahrheit liegt in empirischen Fakten“ versus „Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters“. Ebenso fruchtlos ist der Versuch, empirische Faktizität ethisch zu begründen, da sich jeder beliebige ethische Standpunkt einnehmen lässt, und er immer nur innerhalb der Gruppe Bindungskraft entwickeln kann, die ihn bereits teilt.

Das Erschütternde an „post-faktischen“ Argumentationen ist vielmehr die Auflösung intersubjektiver Standards zugunsten einer rein subjektiven Willkür der Realitätssetzung. Innerhalb der Wissenschaft ist Post-Faktizität daher als Modus der Erkenntnisgewinnung unzulässig, weil Wissenschaft stets auf dem kontroversen Diskurs gleich erkenntnisbegabter Partner im Rahmen eines gemeinsamen Regelwerks der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit basiert. Außerhalb des Felds der Wissenschaft ist Post-Faktizität hingegen sehr viel schwieriger zu kritisieren, da gesellschaftliche Regelsysteme grundsätzlich veränderbar sind. Politisch betrachtet, verbergen sich hinter post-faktischen Argumentationen autokratische Ansprüche, so dass sich hier von einem ethischen, also kulturrelativen Standpunkt aus argumentieren lässt. Von historischer Seite sind die gesellschaftlichen Konsequenzen despotischer und willkürlicher Herrschaft als Optionen einer post-faktischen Zukunft vor dem Hintergrund entsprechender Vergangenheiten zu skizzieren.

Gabriele Rasbach (Frankfurt a. M.), „Archäologie ist die Suche nach Fakten. Nicht nach der Wahrheit.“ Postfaktizität an Beispielen aus der (Provinzial-Römischen) Archäologie

Das Zitat von Indiana Jones eröffnet eine Diskussion um Aussagemöglichkeiten und -grenzen in der Archäologie.

  • Durch die Interpretation von Befunde und Funden wird ein Narrativ entwickelt, das – quasi präfaktisch – publiziert wird, ohne quellenkritisch die Dinge zu hinterfragen.
  • Mit diesen Narrativen wird versucht, sich „der historischen Wirklichkeit“ zu nähern. In Ausstellungen und Publikationen Rekonstruktionen dieser unbekannten, vergangenen Wirklichkeiten – vergangene Landschaften und Siedlungsgefüge – „fotorealistisch“ als Fakten installiert. Dabei geht die Bandbreite an Interpretationsmöglichkeiten zunehmend verloren.

Die archäologischen Wissenschaften reagieren auf tatsächliche oder vermeintliche Vorgaben der Forschungspolitik und  gesellschaftliche Trends:

  • Forschungsergebnisse werden für einseitige historische Narrative missbraucht, die zu politischen und propagandistischen Zwecken genutzt werden
  • Die Forschung selbst übersteigert eigene Ergebnisse, besonders im Zusammenhang mit Bewertungskriterien oder zur Akquise von Drittmitteln und dieselben „sensationellen“ Ergebnisse werden gezielt medial vermarktet.

Aber falsche, gefälschte und „geschönte“ Nachrichten sind bereits aus der Antike selbst bekannt; leicht nachzuvollziehen ist dies bei der gezielten Falschinformation von politischen Gegnern, eine Vorgehensweise, die auch aktuell zur Anwendung kommt. Bis heute werden topoi von Fremden und „Barbaren“ bedient.

Postfaktizität ist mit einer diskussionsfreudigen Kommunikation von Forschungsergebnissen zu begegnen, denn wir können (und müssen) Stellung zu aktuellen gesellschaftlichen Themen nehmen (Landschaftsentwicklung durch Klimaschwankungen und die Veränderungen in Siedlungsmuster, die Reaktionen vergangener Gesellschaften auf Hunger und Krieg oder Migrationsbewegungen, um nur einige aktuelle politische Themen zu nennen). Aber in Abgrenzung zu pauschalen Urteilen gilt es klarzustellen, dass es monokausale Erklärung nicht geben kann; den daraus resultierenden Vorwürfen der mangelnden Bereitschaft zu „eindeutigen“ Aussagen müssen wir uns entgegenstellen. Wir Archäologen dürfen uns die Deutungshoheit über archäologische und historische Quellen nicht nehmen lassen.

Alexander Hilpert (Saarbrücken), „Die Villa der Secundinier“? Die römische Villa von Nennig und ihre „unsichere Geschichte“ im Spiegel der Forschung nach 1866

Der historische Blick auf die Forschungsgeschichte der römischen Villa von Nennig zeigt, dass es sich bei dem Wissen um diesen Fundort in großen Teilen um „unsichere Geschichte“ handelt: 1852 weckte die Entdeckung des prachtvollen Mosaiks europaweites Interesse, aber erst 1866 wurde eine größere Grabung durchgeführt, bei der unter anderem ein separates Badegebäude gefunden wurde. Der damalige Grabungsleiter Heinrich Schaeffer, dessen Biographie vom Referenten gerade im Rahmen einer historischen Dissertation untersucht wird, skizzierte damals Wandmalereien, die angeblich sofort verblassten, und Besitzer-Inschriften (der treverischen Familie der Secundinier), die dem Fundort eine herausragende Geschichte zuwiesen. Letzteres wurden nach jahrelangem epigraphischem

Streit als Fälschung erkannt. Weil man den Fundberichten nun nicht mehr traute, wurde die Villa 1869 erneut aufgedeckt, doch erst bei Grabungen im 20. Jahrhundert konnten wieder Wandmalereien dokumentiert werden. Die Skizzen, Beschreibungen und Erzählungen des 19. Jahrhunderts wurden dagegen bislang kaum analysiert. Ein von Schaeffer verfasstes Manuskript über die „Die Villa der Secundinier“ ist erst jüngst vom Referenten wiederentdeckt worden.

Der Vortrag untersucht die Manuskripte des ersten Grabungsleiters narratologisch und im Kontext des 150 Jahre währenden Diskurses um Nennig. Im Zusammenhang mit weiteren Briefen, Zeitungsartikeln und Zeichnungen aus der Feder des dubiosen Archäologen soll nicht nur ein Blick in die Plausibilisierungs- und Authentisierungsverfahren des 19. Jahrhunderts geworfen werden, sondern es soll darüber hinaus auch herausgearbeitet werden, welche Auswirkungen sie für die weitere Forschung hatten.

Karin Reichenbach (Leipzig), Wem gehört die Vergangenheit? Archäologisches Reenactment als populäre Form der Geschichtsaneignung zwischen Postmoderne und Postfaktizität

Im Vortrag möchte ich anhand von Beispielen aus der deutschen und polnischen Frühmittelalter-Reenactment-Szene die Problematik aufgreifen, dass insbesondere im Rückgriff auf angenommene vorchristliche, heidnische Lebensweisen Geschichtsbilder aktiviert werden, die an rechtsextreme, neopagan orientierte Ideologien anschlussfähig, und auf diese Weise Segmente der Reenactmentkultur auch nachweislich in rassistisch-neofaschistische Subkulturen und Netzwerke eingebunden sind.

Da Demokratisierungs- und Pluralisierungsprozesse der postmodernen Gesellschaft für die Vielfalt jüngerer Geschichtszugänge und damit für die Partizipation an der Herstellung von Vergangenheitsentwürfen verantwortlich gemacht werden, stellt sich hier die Frage, ob die Demokratisierung der Geschichtszugänge denn auch immer der Demokratie dient?

Wenn es aus erkenntistheoretischer Sicht keine absolute, beobachterunabhängige Instanz gibt, die darüber entscheiden kann, was ‚wahr’ ist, und wenn es angesichts der Unzugänglichkeit der – ja vergangenen – Vergangenheit keine Möglichkeit des Abgleichs mit den hervorgebrachten Geschichtsbildern gibt, wer kann darüber befinden, was ‚authentisch’ ist? Und wie und auf welcher argumentativen Grundlage können sich Wissenschaft und Museen zu problematischen Geschichtsentwürfen positionieren?

Ralf Hoppadietz (Bibracte), Versicherte Geschichte. Reenactment als Geschichtsvermittlung zwischen Post- und Kontrafaktizität

Momentan ist die Rede vom „Postfaktischen Zeitalter“ in aller Munde. Als relativ neues Phänomen angesehen, werden die wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzungen um die Möglichkeit des Nachweises einer objektiven Wahrheit der vergangenen Dekaden meist ignoriert.

Auch innerhalb der Ur- und Frühgeschichtsforschung wird bis heute zumeist wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass wir uns durch möglichst genaue und umfassende Daten- und (Arte-) Faktenanalyse einer historischen Wahrheit von vergangenem Leben (und Denken) annähern könnten. Die dabei produzierten Vorstellungen werden in der Folge weitgehend unreflektiert in die außerwissenschaftlichen Diskurse übernommen und als vermeintliche historische Gewissheiten verhandelt. Nirgends tritt die Annahme einer Faktizität unseres Wissens über die (eine) historische Wahrheit so deutlich zutage wie im Bereich der Vermittlung von Geschichte. Durch die Erschaffung von Lebensbildern und eine Visualisierung scheinbar „zum Leben erweckter“ historischer Realitäten durch archäologisches/historisches Reenactment werden vermeintliche Fakten in eine dauerhafte Form gegossen. Das daraus entstehende Konstrukt bietet weder die Möglichkeit, wissenschaftliche Unsicherheiten und Leerstellen unseres Wissens über vergangene Gesellschaften aufzuzeigen, noch alternative bzw. konkurrierende (Erklärungs-)Modelle. Dies betrifft vor allem die Darstellung sämtlicher immaterieller Kulturäußerungen, wie beispielsweise soziale und religiöse Vorstellungen. Neben dieser allgemeinen Problematik ist gerade im Bereich des Reenactment das Phänomen einer dezidiert ideologisch determinierten Darstellung zu beobachten, bei der jedwede wissenschaftliche Diskussionen zugunsten eigener außerwissenschaftlicher Überzeugungen negiert werden und die teilweise als kontrafaktisch bezeichnet werden muss.

Ausgehend von den erkenntnistheoretischen Überlegungen, die im Beitrag von Karin Reichenbach vorgestellt werden, soll der Vortrag anhand von konkreten Fallbeispielen zeigen, wie in Teilen des archäologischen Reenactment (teilweise bewusst) bestimmte Bilder einer Vergangenheit konstruiert werden, aus welchen (außerarchäologischen) Diskursen diese stammen und zu welchen Verzerrungen im Hinblick auf den allgemeinen Forschungsstand diese führen. Daneben soll aufgezeigt werden, wie langlebig diese erzeugten Bilder gerade im außerwissenschaftlichen Diskurs sind und zu welchen sich gegenseitig perpetuierenden Wechselbeziehungen diese führen.

Rüdiger Krause (Frankfurt a. M.) / Rupert Gebhard (München), Das Narrativ von Bernstorf. Wissenschaftliches und Postfaktisches zu den Gold- und Bernsteinfunden

Das Narrativ von Bernstorf besteht derzeit je nach Perspektive und Betrachter aus wissenschaftlichen Daten und Fakten ebenso wie aus Konstrukten wissenschaftlicher Halbwahrheiten und Unterstellungen. Mit der Auffindung der Goldbleche und der verzierten Bernsteine in Bernstorf, der größten Befestigung der mittleren Bronzezeit nördlich der Alpen, wurden 1998 und 2000 unmittelbar Fälschungsvorwürfe gegen die Finder, Mitglieder des Archäologischen Vereins Freising, vorgebracht, die bis heute eine zentrale Grundlage für die Fälschungsbefürworter darstellen. In der Folge entwickelten sich bis heute Unterstellungen, menschliche Zerwürfnisse und mit Daten und Argumenten unterschiedlicher Qualität gefütterte wissenschaftliche Konstrukte.

Die so entstandenen alternativen Fakten sollten dabei treffender im Rahmen eines der Legitimation einer bestimmten Position dienenden Rechtfertigungsnarrativs kommuniziert werden. Um es mit dem Tübinger Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen zu formulieren (Forschung & Lehre 2/2107), „…deutet der Begriff des Post-Faktischen eine erlebbare Wahrheitskrise zu einem bereits feststehenden Resultat um, zum kaum vermeidbaren Übel“. Deshalb schlägt er vor, das postfaktische Zeitalter besser das „peinliche Zeitalter“ zu nennen, in welchem die Weltgemeinschaft der Wissenschaftler vor dieser Wahrheitskrise kapituliert.

Im Gegensatz dazu streben wir an, aus fundierten wissenschaftlichen Daten und Quellen, Ereignissen und Beobachtungen, ein Narrativ zu entwickeln, das eine konsistente epochenspezifische und übergreifende Darstellung des bronzezeitlichen Bernstorf ermöglicht.

Felix Wiedemann (Berlin), Die Einsichtigkeit der Erzählung. Formen narrativer Evidenz in den historischen Wissenschaften

Alle Wissenschaften streben nach Evidenz, d.h. nach Unmittelbarkeit, Augenscheinlichkeit und Einsichtigkeit ihrer Aussagen und Befunde. Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive erweist sich Evidenz dabei nicht etwas Gegebenes, sondern als etwas Gewordenes und kann als das begriffen werden, was in einem bestimmten historischen, sozialen und epistemischen Kontext als einsichtig und überzeugend gilt. In jeder Epoche kursieren und konkurrieren verschiedene Evidenzformen, die etwa nach wissenschaftlichen Fachrichtungen, Disziplinen oder Diskursformationen unterschieden werden können.

In diesem Sinne weisen auch die historischen Wissenschaften spezifische Evidenzformen auf, die je nach Disziplin unterschiedliche Gewichtung erfahren. So eignet Evidenz nicht den im Rahmen einer Argumentation angeführten Quellen an, sondern stellt sich als Folge unterschiedlicher Auffassungen darüber ein, was als augenscheinlich oder offenkundig gilt. Der Beitrag wird zunächst die verschiedenen Evidenzformen und ihre Einteilungs­möglichkeiten in den historischen Wissenschaften skizzieren und anschließend auf eine spezifische Evidenzform fokussieren, die in allen ihren Zweigen eine gewichtige Rolle zu spielen scheint: die narrative Evidenz. Mit narrativer Evidenz hat man es dann zu tun, wenn die Überzeugungskraft einer Aussage wesentlich auf der Form der Erzählung basiert und sich nicht aus einem Erzählkontext herauslösen lässt. In den historischen Wissenschaften kommen narrative Evidenzen sowohl auf der Ebene der herangezogenen Quellen (sofern diese als explizite oder implizite Erzählungen begriffen werden können) als auch bei der Einbettung in den forschungsgeschichtlichen Kontext sowie schließlich bei der eigenen Darstellung ins Spiel. Sie erweisen sich mithin nicht erst bei der Vermittlung, sondern bereits bei der Konstitution historischen Wissens als konstitutiv.

Lukas Bohnenkämper (Basel), Schwarz-Weiß-Malereien: Ägypten und Kusch zwischen Afro- und Eurozentrismus

Im europäischen und US-amerikanischen Geschichts- und Rassendiskurs nehmen Ägypten und Kusch als historische Referenzpunkte seit dem 19. Jh. eine zentrale Stellung ein. Bereits Georg W. F. Hegel trennte Ägypter und Punier vom „geschichtslosen“ Schwarzafrika und Vertreter der Hamitentheorie wie Charles G. Seligman und Carl Meinhof festigten diese Trennung durch die Annahme einer überlegenen hamitischen Rasse. In diesem Zusammenhang sind auch William M. F. Petries einflussreiche Hypothese einer kultur­bringenden vorderasiatischen „Dynastic Race“ und James H. Breasteds nordost­afrikanische „Great White Race“ zu nennen. In den USA waren die Frage nach der rassischen Zugehörigkeit der Ägypter und die sich daraus ergebenden Implikationen für die Rechtfertigung der Sklaverei sogar grundlegend für die Entstehung der dortigen Ägyptologie. Seit dem 19. Jh. wird diesen Behauptungen von Forschern wie Martin R. Delany, George G. M. James, William E. B. Du Bois, Cheikh Anta Diop und Molefi Kete Asante die Auffassung entgegengestellt, dass Ägypten und Kusch schwarzafrikanische Gesellschaften und der Ursprung der Zivilisation gewesen seien. Der gesamtgesellschaftliche Diskurs, welcher durch Martin Bernals „Black Athena“ neu angefacht wurde, prägt auch heute noch die akademischen, musealen und massenmedialen Konstruktionen Ägyptens und Kuschs. Die Genese und aktuelle Wirkmächtigkeit dieser Geschichtsbilder sowie die Frage, wie sich die heutige Ägyptologie in diesem Diskurs positioniert beziehungsweise positionieren sollte, werden die Themen des Vortrages sein.

Kerstin P. Hofmann (Frankfurt a. M.), Erzähl mir doch (k)eine Geschichte(n)!

Dass man in der Archäologie nicht nur ausgräbt, sammelt, beschreibt und klassifiziert, sondern auch erzählt, ist inzwischen ein Allgemeinplatz. Die Fragen, wie man Geschichte(n) schreiben will und welchen Einfluss unterschiedliche Darstellungsweisen auch auf die Forschungspraxis haben, werden jedoch noch vergleichsweise selten diskutiert. Beschreiben und Erzählen sind nämlich nicht nur zwei unterschiedliche Darstellungsmethoden, sondern auch „grundlegend verschiedene Stellungen zur Wirklichkeit” (Georg Lukács, Erzählen oder beschreiben? Zur Diskussion über Naturalismus und Formalismus. In: Essays über Realismus. Georg Lukács Werke 4. Probleme des Realismus I (Neuwied 1971 [1936]) 197–242; hier: 206). In dem Diskussionsbeitrag geht es u. a. darum, zur Reflexion über die Eignung und Auswirkungen verschiedener Darstellungsformen und -methoden bei der Erforschung und Vermittlung von Brechungen, (Un)Kenntnis und Fremderfahrungen, von Raum und Zeit sowie von Sinnordnungen und ihren Hierarchisierungen anzuregen. Dabei sollen auch ethische Implikationen, die Möglichkeit der Abgrenzung von Fakten und Fiktionen und die Chancen und Risiken einer Orientierung an Kunst, Literatur und neuen anderen Medien angesprochen werden. Ist es wirklich sinnvoll, der immer lauter werdenden Forderung nach Narrativen nachzugeben? Was können uns narratologische und medienwissenschaftliche Theorien und Forschungen über unsere Wirklichkeits(re)konstruktionen und Forschungspraktiken lehren?

Stefan Solleder (Berlin), Wann ist die Rekonstruktion der Vergangenheit wissenschaftlich? Theoretische Überlegungen anhand des Falls „Nordirlandkonflikt“

Die Konstruktion und Benutzung von Geschichte(n) und historischen Mythen für politische Zwecke ist charakteristisch für den Nordirlandkonflikt. Beide Seiten, pro-irische Katholiken und pro-britische Protestanten, erschaffen ihre jeweiligen ethnischen Gruppen-Identitäten mit Bezug auf mythologische und historische Ereignisse (u.a. durch das Malen propagandistischer Wandbilder in den Straßen ihrer Hochburgen, sog. Murals). Die Ereignisse reichen von der jüngsten Vergangenheit über die 1910er Jahre, das 18., 17. und 11. Jh. bis in früh- und vorgeschichtliche Zeiten zurück. Charakteristisch ist jeweils, dass Mythen, historische Ereignisse und ‚Fakten‘ so interpretiert werden, dass sich mit ihnen Jahrhunderte oder gar Jahrtausende umfassende Kontinuitäten erschaffen lassen. Ersten geht es hier um die Konstruktion einer althergebrachten Feindschaft, zweitens um die Konstruktion einer uralten kulturellen Gruppe und drittens darum, territoriale Herrschaftsansprüche auf Nordirland zu legitimieren.

Auffällig ist an den Konstruktionen, dass sie – oftmals auf subtile Art und Weise – Geschichte in eine spezifische Richtung deuten durch Auslassungen, Betonungen, Verdrehungen, Interpretationen oder fehlendes Hinterfragen.

Der subjektive und kritisierbare Standpunkt der Produktion ethno-nationalistischer Geschichtsschreibung lässt sich daher relativ leicht identifizieren. Das Problem im Anschluss hieran besteht jedoch darin, den Standpunkt der Kritik an der ethno-nationalistischen Geschichtsschreibung exakt zu benennen. Was kann an der Arbeit der Sozial-, Geschichts- und Kulturwissenschaften besser – und nicht nur anders sein? Die These dieses Vortrags hierzu lautet, dass Wissenschaft dann ‚besser‘ sein kann, wenn sie einen besonderen ethischen und nicht nur einen besonderen methodologischen Standpunkt einnimmt, d.h., wenn sie Kritik nicht nur erträgt, sondern geradezu erwartet und aktiv herausfordert. Ethno-Nationalisten ertragen i.d.R. Kritik nur schwer, erwarten tun sie gar nicht und sie betrachten ihre Sichtweisen als ewige Wahrheiten.

 

Bärbel Auffermann (Mettmann), Von der Schatzkammer zum sozialen Raum

Museen halten sich in der eigenen Wahrnehmung für bedeutende Orte der Vermittlung von Vergangenheit, dabei haben ihnen im 21. Jahrhundert andere Medien längst den Rang abgelaufen. Der Vortrag zeigt Wege auf, mittels derer Museen heute versuchen, relevant zu bleiben. Im Neanderthal Museum verstehen wir uns als Lobbyisten für Evolutionslehre und Menschheitsgeschichte. Wir machen vielschichtige Vermittlungsangebote und bedienen unterschiedliche Kommunikationswege, um möglichst viele Zielgruppen zu erreichen. Das Badische Landesmuseum Karlsruhe denkt seine Dauerausstellung derzeit radikal neu und möchte sich als authentischer und sozialer Raum öffnen. Diese und weitere Beispiele werden aufgezeigt und hinterfragt. Reichen diese Maßnahmen aus, um von der Gesellschaft weiterhin als vertrauenswürdige Institutionen akzeptiert zu werden? Welche weiteren Schritte einer breiten Öffnung sind denkbar?

Laura Löser (München), Mut zur Lücke. Ein Plädoyer für Bedeutsamkeit und Chance von Unsicherheit in archäologischer und historischer Museumsvermittlung

Dürfen sich die Archäologien zu Unsicherheiten bekennen, wenn ihre Legitimität in der Gesellschaft ohnehin schon in Zweifel steht? Nein, so möchte ich in meinem Paper argumentieren, vielmehr stehen sie sogar in der Pflicht, die Öffentlichkeit über die grundsätzliche Fragwürdigkeit ihrer Ergebnisse aufzuklären.

Denn ein weitverbreitetes Missverständnis in der Bevölkerung ist, dass die Archäologie hauptsächlich dazu diene, die Vergangenheit zu illustrieren, nicht aber, sie zu verstehen [Nick Merriman, „Involving the Public in Museum Archaeology”. In: Robin Skeates (Hrsg.): Museums and Archaeology (Oxford/New York 2017) 550] Dass sich unter dieser Voraussetzung eine nachhaltige Wertschätzung für die Archäologien nicht halten kann, leuchtet ein. Daher sollten Vertreter*innen der archäologischen Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere in den Museen, fragwürdige Forschungsergebnisse nicht verstecken, sondern zur Diskussion stellen. So stärken sie das Bewusstsein für die Komplexität und die Bedeutung von archäologischer Forschung in der Gesellschaft.

In meinem Paper möchte ich jedoch dafür plädieren, noch einen Schritt weiter zu gehen und in einen Dialog mit den Menschen zu treten. Im Austausch mit der interessierten Öffentlichkeit werden wir immer wieder mit Problemen konfrontiert, die vermeintlich längst beantwortet sind. Wenn wir uns jedoch wirklich noch einmal die Quellen vornehmen, stellen wir nicht selten fest, dass unsere Antworten so eindeutig dann doch nicht sind. Die Fragen und Vorstellungen unseres Publikums kann und sollte daher unsere Arbeit befruchten, und wir sollten keine Angst davor haben, ihm ein gewisses Maß an Freiheit zuzumuten: am Beispiel einer kreativen Schreibwerkstatt, die ich kürzlich am Landesmuseum Mainz durchführen durfte, möchte ich den Stellenwert von Kreativität und Fantasie im Kontext von Museumsvermittlung erläutern.

Doris Gutsmiedl-Schümann (Berlin), Archäologiestudiengänge zwischen (re)konstruierter Vergangenheit und historischer Wahrheit

„In der Schule geht es um Antworten, an der Uni geht es um Fragen“ [Dr. Karin Beck, Leiterin des Colleges der Leuphana-Universität Lüneburg in einem Interview auf Spiegel Online am 6.5.2013 (http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/helikopter-eltern-hochschulen-entdecken-eltern-als-zielgruppe-a-897649-4.html [11.12.2017])].: Dieser Perspektivwechsel stellt für Studierende, gerade zu Beginn Ihres Studiums, eine große Herausforderung dar. In diesem Kontext ist m.E. zu sehen, dass Studierende mitunter erwarten, historische Wahrheiten gelehrt zu bekommen oder von ihren Lehrenden die Präsentation der einen, gültigen Geschichte einfordern.

Wie gehen die aktuellen Archäologiestudiengänge damit um? Zu welchen Zeitpunkt im Studienverlauf, in welchem Umfang und im Rahmen von welchen Modulen setzen sich die Studiengänge mit generellen erkenntnistheoretischen Problemen wie der im Call for Papers genannten Beobachterabhängigkeit gegenüber Erkenntnisgegenständen sowie fachspezifischen Aspekten wie der (Re)Konstruktion von Vergangenheitsentwürfen auseinander? Wird in den  Studiengängen die wissenschaftlichen Herangehensweisen an archäologische Quellen in diesem Kontext  problematisiert; wenn ja, wie und in welchem Rahmen? Wie wird in den Studiengängen gegenüber den Studierenden als künftigen Multiplikatoren archäologischer Themen Vergangenheit (re)konstruiert und vermittelt?

Ich möchte mich in meinem Beitrag auf Grund einer Analyse der aktuellen Studien- und Prüfungsordnung sowie der Modulpläne archäologischer Bachelor- und Masterstudiengänge mit diesen Fragen auseinandersetzen. Zugleich möchte ich diskutieren, wie sich im Kontext aktueller hochschuldidaktischer Konzepte die Studiengänge der Herausforderung der Vermittlung dieser mitunter schwierigen Fragen stellen können.

Jana Anvari (Berlin) / Eva Rosenstock (Berlin), Neolithic Doom: negative Darstellungen der Neolithisierung in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen

In den letzten Jahren und Jahrzehnten findet sich in populärwissenschaftlichen Medien (Büchern, Zeitungsartikeln, Blogs, Schullehrmaterialien) zunehmend die Meinung, der Übergang zur bäuerlichen Lebensweise im Neolithikum stelle eine große Fehlentwicklung dar. Weltweit habe die Neolithisierung zu bis heute spürbaren großen sozialen und gesundheitlichen Problemen sowie Umweltschäden geführt. Diese Veröffentlichungen bilden eine Paralleldiskussion, aus der kaum Austausch mit Archäologen stattfindet und deren Ansichten in einem ambivalenten Verhältnis zur archäologischen Diskussion ähnlicher Forschungsfragen stehen. Eine besondere Relevanz ergibt sich aus dem Umstand, dass die Autoren solcher Werke – von denen einige große Verbreitung und Aufmerksamkeit erfahren haben – eine (prä)historische Narrative häufig mit negativen Aussagen über die Gegenwart und Zukunft verbinden. Basierend auf einer empirischen Inhaltsanalyse einer repräsentativen Stichprobe von Medien strebt dieser Vortrag eine erste umfassende Beschreibung des ‚Neolithic Doom‘-Phänomens an. Forschungsfragen sind dabei: Welche negativen Folgen der Neolithisierung werden postuliert? Welche (archäologischen und anderen) Fallbeispiele werden zur Unterstützung herangezogen? Welche Zukunftsvisionen werden beschrieben? Ausgehend von dieser Analyse wird der Vortrag die Einbettung des ‚Neolithic Doom‘-Phänomens in philosophische und weltanschauliche Strömungen seit der Vormoderne beschreiben und diskutieren, welche Folgerungen sich für die archäologische Praxis ergeben.

Programm der Sektion „Frage Migration! – Erkenntnistheorien, Argumente, Modelle, Paradigmen“

Datum: Dienstag, 4.07.2017
Ort: 9. Deutscher Archäologiekongress, 03. – 08.07.2017 in Mainz

Les migrations. Foto: Jodi Green. https://www.flickr.com/photos/jodigreen/9596651970/. CC BY-NC-ND 2.0
Les migrations. Foto: Jodi Green. https://www.flickr.com/photos/jodigreen/9596651970/. CC BY-NC-ND 2.0

Programm (auch hier zum downloaden)

08.45 Uhr • Organisator*innen der AG TidA • Einführung – Frage Migration!
09.00 Uhr • Sabine Reinhold • Völkerwanderung 2.0 oder Wieviel Biologie braucht der Transfer kulturelle Praktiken?
09.30 Uhr • Kerstin P. Hofmann • Migrationsnarrative. Konzepte, Methoden und Repräsentationsformen im Vergleich

10.00 Uhr • Kaffeepause

10.30 Uhr • Michael Kempf • Klima, Kollaps, Katastrophe? – interdisziplinäre Ansätze zur Abschätzung von klimainduzierter Umweltkrise und Migration
11.00 Uhr • Stefanie Eisenmann • Gruppen in Genetik und Archäologie: Die Frage nach der Nomenklatur genetischer Cluster
11:30 Uhr • Corina Knipper, Tivadar Vida, István Koncz, János Gábor Ódor, Ildikó Katalin Pap, Balázs Gusztáv Mende • Mobilität während der Völkerwanderungszeit: Implikationen von Strontium-Isotopendaten von Gräberfeldern des 5. und 6. Jh. in Westungarn
12.00 Uhr • Wolfgang Haak • Über Migrations- und Vermischungsnarrative der Archäogenetik

12.30 Uhr • Mittagspause

14:00 Uhr • Michael Werner • Migration und Raum – ein handlungstheoretischer Ansatz
14:30 Uhr • Martin Furholt • Migration, Mobilität und die Struktur sozialer Gruppen im europäischen Neolithikum
15:00 Uhr • Thomas Hoppe – Stefan Schreiber, Birgit Schorer, Maxime Rageot, Angela Mötsch, Janine Fries-Knoblach, Dirk Krausse, Cynthianne Spiteri, Philipp W. Stockhammer • Was haben Dinge mit Migrationen zu tun? Einblicke in komplexe „Mensch-Objekt-Wanderungen“ am Beispiel von Fundensembles aus Hochdorf und der Heuneburg

15.30 Uhr • Kaffeepause

16:00 Uhr • Blandina Cristina Stöhr • Migrationen, Identität und Angst – Das Fallbeispiel Griechenland und die Geflüchteten. Eine ethno-archäologische Projektskizze
16.30 Uhr • Martin Renger • Frage Migration? Antwort Ungleichheit! Ein Kommentar zum aktuellen Forschungsdiskurs und ein Plädoyer für einen Perspektivwechsel

17:00 Uhr • Abschlussdiskussion

17.30 Uhr • Mitgliederversammlung


 

Abstracts

Völkerwanderung 2.0 oder Wieviel Biologie braucht der Transfer kultureller Praktiken?
Sabine Reinhold
Eurasien-Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts, Berlin

Mit dem Wiedererstarken von großräumigen Migrationsparadigmen als Erklärungsmoment für Veränderungen in der Struktur prähistorischer Kulturen kehrt ein Paradigma zurück, das wir eigentlich überwunden geglaubt hatten. Insbesondere der Nachweis biologischer Zusammengehörigkeit über aDNA-Analysen lässt die These des Zusammenhangs von materieller Kultur und deren Überreste mit biologischer Verwandtschaft und ethnischer Homogenität in einem neuen Licht erscheinen. Was Gustaf Kossinna seinerzeit positiv beantwortet und als Ausgangspunkt komplizierter Expansionsszenarien gesehen hat, wurde seither lange eher verneint. Das kulturelle Handeln, die soziale Praxis, wurde ins Zentrum von Identitätsdiskursen gerückt und höher gewichtet als biologisch-verwandtschaftliche Bindungen. Abstammung konnte fiktiv sein und Identität war allein sozial konstruiert.
Mit den neuen bioarchäologischen Analysemethoden geraten solche Positionen in Wanken. Es scheint doch auch biologische – oder vor allem biologische? – Verbindungen zwischen den Leuten zu geben, die etwa ihre Toten in derselben Form begraben oder eine vergleichbare Region bewohnen. Doch wieviel Biologie steckt hinter einer archäologischen Kultur? Oder großräumigen Phänomenen wie etwa den Glockenbechern, oder der osteuropäischen Jamnaja-Kulturgemeinschaft, die sich einerseits durch weiträumig ähnliche kulturelle Praxis auszeichnen und gleichzeitig aber lokale Eigenheiten besitzen? Insbesondere in Eurasien werden mittlerweile Massen an Bevölkerungen über riesige Distanzen verschickt, für die die archäologischen Belege einer kulturellen Kohärenz eher schwach sind oder ganz fehlen.
Hier gilt es einerseits Mobilitätskonzepte neu zu definieren und andererseits zu hinterfragen, was bedeutet es eigentlich in der Realität, wenn die Kern-DNA-Analyse eine biologische „Verwandtschaft“ oder „Abstammung“ zu einem bestimmten Prozentsatz nahelegt? Mit dem Thema „Migration“ müssen eben nicht die anderen Narrative wie klar definierten Kulturgruppen, die wandern, von Landnahmen und ähnlichem zurückkehren. Vielmehr können neue Mobilitätskonzepte entwickelt werden, die kulturelle und/oder biologische Zusammengehörigkeit in einen befriedigenden Rahmen setzen.


Migrationsnarrative. Konzepte, Methoden und Repräsentationsformen im Vergleich
Kerstin P. Hofmann
Römisch-Germanische Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts, Frankfurt a.M.

Migrationen sind nicht nur heute, sondern waren auch früher schon oft Thema von Erzählungen. In der Historiographie werden Migrationen zudem immer wieder als eine der zentralen Gründe für kulturellen und sozialen Wandel angeführt. Nicht nur unterschiedliche Handlungstragende, sondern auch verschiedene Konzepte von Mobilität, Raum, Zeit und Identität spielen dabei eine Rolle. Auch die Methoden des Nachweises von Migrationen und ihre Repräsentationsformen differieren erheblich. Am Beispiel der wikingerzeitlichen Migration von ‚Nordmännern‘ nach Britannien während der Wikingerzeit sollen Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Wechselwirkungen verschiedener Migrationserzählungen aufgezeigt werden.


Wolf im Schafspelz – Schaf im Wolfspelz? Prähistorische Mobilität im Fokus von Molekularbiologie und Archäologie
Stefan Burmeister
Museum und Park Kalkriese

Der Mensch ist ein homo migrans; menschliche Mobilität war und ist eher der Regelfall als die Ausnahme. Von daher sind Migrationen ein zentraler Untersuchungsgegenstand der archäologischen Forschung – oder sollten es zumindest sein. Vielfach waren Wanderungen jedoch mehr axiomatische Setzungen zur Erklärung von Kulturwandel als selbst eigener Gegenstand der Forschung. Die methodologischen Probleme einer genuinen Migrationsarchäologie diskreditierten diese vielfach als eigenständigen Forschungsansatz. Die neuen Methoden der Molekularbiologie (Genetik, Isotopie) führen die Archäologie aus ihrer epistemologischen Sackgasse. Das ist unstrittig – die Naturwissenschaften liefern hier ein „Heilsversprechen“.
Wer jedoch Kritik an den beeindruckenden Ergebnissen etwa der Genetik äußert, steht schnell im Verdacht, sich dem Fortschritt zu widersetzen und alte Pfründe einer nicht mehr haltbaren Deutungsmacht zu verteidigen. Doch so einfach ist es nicht. Die neuen, durch genetische Analysen untermauerten Modelle prähistorischer Wanderungen lassen sich zwanglos in Geschichtsbilder des 19. und frühen 20. Jahrhunderts einfügen. Finden diese Narrative hier ihre Bestätigung oder sind die Deutungen genetischer Befunde nicht doch eher kontaminiert mit überkommenen Geschichtsbildern? Für letzteres lassen sich zahlreiche Beispiele anführen – hierüber gilt es sich auseinanderzusetzen.


Klima, Kollaps, Katastrophe? – interdisziplinäre Ansätze zur Abschätzung von klimainduzierter Umweltkrise und Migration
Michael Kempf
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Archäologische Wissenschaften, Abteilung Frühgeschichtliche Archäologie und Archäologie des Mittelalters

Migration eher als Prozess und nicht als Ereignis anzusehen, betont den Anspruch, einen umfassenden Überblick über die vielen ‚push‘ und ‚pull‘ Faktoren zu erlangen, die Wanderungsbewegungen auslösen können. Inwiefern sich jedoch zwischen lokalem Druck in der Heimat und Anziehungskraft in der Ferne unterscheiden lässt, oder ob eine Kombination beider Faktoren möglich ist, erschließt sich nicht zwangsläufig. Um diese Fragen zu klären verweisen ereignisbasierte Theorien interdisziplinärer Forschungsansätze gerne auf absolute Konformität von ‚Klima-Event‘ und ‚Response‘.
Allzu leicht nur scheinen sich historische Ereignisse, Perioden oder Entwicklungen in klimadeterministische Abläufe einflechten zu lassen: Der ‚Niedergang des römischen Reiches‘ – gleichzeitig eine Periode starker Klimaschwankungen, verbunden mit hohen Niederschlagsraten. Die ‚Völkerwanderung‘ – Trockenheit, abrupte Abkühlung, Dürre, Missernten und Überschwemmungen. Die ‚Justinianische Pest‘ – Konsequenz einer zehnjährigen Klimaveränderung, zurückzuführen auf eine Serie von Vulkanausbrüchen nach 536 n. Chr. Scheinbar beliebig lässt sich die Liste der verheerenden Auswirkungen auf soziale und politische Instrumente und Systeme des 3.-6. Jahrhunderts n. Chr. fortsetzen. Doch welcher Fragestellung unterliegen die Behauptungen der naturwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit einem, auch in politischer Sicht dominierenden Thema des ausgehenden 20. und des frühen 21. Jahrhunderts? Der Versuch, sich verändernde politische Gebilde und Räume mit drastischen Einschnitten im klimatischen Haushalt zu kombinieren und zu erklären, verleitet zu einer einseitigen Betrachtungsweise von kulturgeschichtlichen Entwicklungen – die vor allem in kleinräumigen Ordnungen ablaufen. Inwieweit ist Gleichzeitigkeit ein Indiz für Kausalität? Und handelt es sich nicht vielleicht eher um eine konstruierte Verknüpfung zweier Ereignisse zu einem Narrativ? Dieser Beitrag soll einen weiten Bogen schlagen: Neben der Vorstellung naturwissenschaftlicher Parameter und Proxy werden Fragen der globalen Klimageschichte erarbeitet und auf regionalen Maßstab heruntergebrochen, um mögliche Migrationsbewegungen im archäologischen Befund aufzudecken.


Gruppen in Genetik und Archäologie: Die Frage nach der Nomenklatur genetischer Cluster
Stefanie Eisenmann
Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Jena

Zahlreiche Publikationen aus dem Bereich der Genetik widmen sich der Erforschung von Mobilität. Die Studien konzentrieren sich in diesem Zusammenhang nicht auf den Nachweis von Bevölkerungsverschiebungen auf kleinräumiger Ebene, sondern stellen die großen Narrative in der Urgeschichte, wie die Neolithisierung oder die weitreichenden kulturellen Veränderungen in Mitteleuropa am Ende des Neolithikums, wieder in den Fokus. Sie laufen damit dem Trend zu detaillierten Lokalstudien, der sich in der archäologischen Forschung beobachten lässt, entgegen.
Während erste kleinere DNA-Serien an menschlichem Skelettmaterial Ende der 90er Jahre bereits das Potenzial dieser Analysen für die Erforschung urgeschichtlicher Migrationen aufzeigten, haben jüngste technologische Weiterentwicklungen, wie das Next Generation Sequencing, Shotgun Sequencing und Hybridisation Enrichment, die Anwendungsmöglichkeiten hin zu großen Probenreihen maßgeblich erweitert. Man könnte von einer Kommerzialisierung des Fachbereichs Archäogenetik sprechen, ähnlich wie ihn andere bioarchäologische Disziplinen, bspw. die Analyse stabiler Isotopen, bereits durchlaufen haben.
Im Mittelpunkt des Vortrags steht eine theoretische Problematik, die aus der Ausweitung der Probenreihen in alt-DNA Studien folgt. Nach der Sequenzierung werden die einzelnen Individuen auf Grundlage ihrer genetischen Ähnlichkeiten, für gewöhnlich mit Hilfe einer Principal Components Analysis, in Gruppen zusammengestellt. Die Benennung dieser
genetischen Cluster erfolgt bislang nach keinem festgelegten System, stellt jedoch einen zentralen Schritt in der Überführung der naturwissenschaftlichen Daten in die archäologische Interpretation dar. Die Entwicklung einer allgemeinen Nomenklatur sollte daher im lebendigen Dialog zwischen den Vertretern beider Disziplinen – der Archäologie und der Genetik – erfolgen.
Erste Schritte in diese Richtung wurden bei einem Workshop des neu gegründeten „Max Planck Harvard Research Center for the Archaeoscience of the Ancient Mediterranean“ (kurz: MHAAM) im Februar dieses Jahres unternommen, und sollen im Rahmen des Archäologiekongresses zur Diskussion gestellt werden.


Mobilität während der Völkerwanderungszeit: Implikationen von Strontium-Isotopendaten von Gräberfeldern des 5. und 6. Jh. in Westungarn
Corina Knipper1, Tivadar Vida2, István Koncz2, János Gábor Ódor3, Ildikó Katalin Pap4, Balázs Gusztáv Mende5
1 Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gGmbH, Mannheim; 2 Eötvös Loránd University, Institute of Archaeological Sciences, 1088 Budapest, Múzeum körút 4/B, Hungary; 3 Wosinsky Mór Múzeum, Szekszárd; 4 Savaria Museum, Szombathely; 5 Archaeological Institute, Research Centre of the Humanities, Hungarian Academy of Sciences, 1014, Budapest, Úri u. 49, Hungary

Das Karpatenbecken ist ein Schlüsselgebiet historischer und archäologischer Forschung zur Völkerwanderungszeit. Schriftquellen überliefern eine komplexe Abfolge von Bevölkerungsgruppen des 5. bis 7. Jh., darunter Hunnen, Gepiden, Langobarden und Awaren. Die reichhaltigen archäologischen Hinterlassenschaften der Gräberfelder offenbaren räumliche Unterschiede von Bestattungsbräuchen und Grabbeigaben sowie Veränderungen dieser Merkmale im Laufe der Zeit. Dennoch mag eine unreflektierte Assoziation historischer Einheiten mit anhand von materieller Kultur und Bestattungsbräuchen herausgearbeiteten Gruppen der historischen Situation nicht immer gerecht werden. Zu bedenken sind die Dynamik ethnischer Gruppen und mögliche Verschiebungen externer Zuweisungen in Richtung historisch aktiver Führungspersönlichkeiten und militärischer Einheiten. Derzeit widmet sich ein ungarisch-deutsches Projekt der Spezifizierung der Rolle tatsächlicher Residenzwechsel von Menschen während der Völkerwanderungszeit. In einer interdisziplinären Herangehensweise verknüpft es historische, archäologische und anthropologische Informationen mit den Resultaten von Isotopenanalysen (Sr, O, C, N) an ausgewählten Gräberfeldern aus dem Karpatenbecken. Erste Ergebnisse zeigen für zwei Fundstellen in Westungarn eine große Bandbreite von Strontium-Isotopenverhältnissen im Zahnschmelz erwachsener Individuen, während sich die Analysedaten der Zähne von Kindern überwiegend in engen Wertebereichen konzentrieren. Diese Muster sprechen sowohl für Wohnortwechsel im Laufe des Lebens der meisten Personen, als auch für Siedlungs- und Bestattungskontinuität über mindestens mehrere Jahre an einem Ort. Um genauere Einblicke in die Rolle von Mobilität im täglichen Leben der Menschen und ihre Bedeutung für die Aufrechterhaltung überregionaler Kontakte zu erlangen, wird der Vortrag die Analyseergebnisse mit Modellen zu Residenzwechseln von Gruppen verschiedener Größe und einzelner Individuen konfrontieren.


Über Migrations- und Vermischungsnarrative der Archäogenetik
Wolfgang Haak
Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte, Jena

Die Ergebnisse archäogenetischer Studien vor allem der letzten 3 Jahre haben den Diskurs um Migration menschlicher Gruppen in der Vor- und Frühgeschichte nicht nur wiederentfacht, sondern auch im Spiegel aktueller gesellschaftspolitischer Ereignisse wieder direkt in den Vordergrund gerückt. Aus Sicht der Archäologie werden diese Ergebnisse – und vor allem deren Interpretation – mit großem Bedenken wahrgenommen, nicht zuletzt weil die vermeintliche Verbindung von biologischem Substrat (d.h. gemeinsamer Abstammung), materieller Kultur und eventuell auch Sprachen bereits tot geglaubte Geister des Faches heraufbeschwört.
Zweifellos sind die beteiligten Fächer, d.h. Archäologie, Anthropologie, Genetik und Linguistik durch diesen Diskurs wieder näher zusammengerückt, allerdings bedarf es nach wie vor noch deutlich mehr gemeinsamen fachübergreifenden Dialog und Kommunikation, um die noch sehr großen Missverständnisse um die wissenschaftstheoretischen Ansätze und Methodik aller Disziplinen besser zu verstehen.
In diesem Vortrag möchte ich die populationsbiologischen Konzepte hinter den genetischen Erbnissen der alten DNA- Studien erläutern, um deren Potenzial, Chancen und auch Grenzen aufzuzeigen. Gleichsam soll eine solche Darstellung die Auflösungsstärke verschiedener biologischer Markersysteme und Analysenmethoden verdeutlichen, um deren Aussagekraft im Licht archäologischen Kontexts aber auch neutraler Hypothesentests besser einschätzen zu können.


Migration und Raum – ein handlungstheoretischer Ansatz
Michael Werner
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Archäologische Wissenschaften, Abteilung Ur- und Frühgeschichtliche Archäologie / Archäologie des Mittelalters

Migration wird als dauerhafte, räumliche Verlagerung des Lebensmittelpunktes definiert. Migration findet nicht in einem abstrakten Raum statt, sondern ist an räumliche Bedingungen gebunden und wird durch diese bestimmt, hat aber auch selbst prägende Wirkung auf diese räumlichen Bedingungen.
Bei der Beschäftigung mit Migration spielen deshalb Raumkonzepte eine entscheidende Rolle. Dabei stehen sich stark geodeterministische Vorstellungen der klassischen Kulturgeographie und konstruktivistische, handlungsorientierte Vorstellungen der ‚Neuen Kulturgeographie‘ (z.B. Denis Cosgrove und Benno Werlen) gegenüber.
In den grand narratives wird Migration oft kausal auf naturräumliche Bedingungen, beispielsweise (sich wandelnde) Klimabedingungen zurückgeführt. Migration wird als kollektive Antwort der Bevölkerung eines bestimmten Raumes, auf die dort vorgefundenen Bedingungen betrachtet. Diese Antwort ist der Übertritt in einen anderen Raum der vorteilhaftere Bedingungen bietet. Die betroffenen Räume bleiben davon unbetroffen.
Bei zu Grunde liegenden konstruktivistischen, handlungsorientierten Raumkonzepten hingegen, werden Migrationsprozesse ambivalent gesehen, d.h. sie sind einerseits Ausdruck bestehender sozioökonomischer Disparitäten, andererseits fungieren sie als Treiber sozialer, ökonomischer und räumlicher Innovationen. Der Einfluss von Migrationsprozessen auf die räumliche und soziale Organisation des Herkunfts- und Ankunftskontextes sowie reziprok der Einfluss der übergeordneten gesellschaftlichen und räumlichen Strukturen auf die Akteure und deren Handeln – die damit verbundenen Diskurse und Symboliken eingeschlossen – entfalten eine doppelte Wirkmächtigkeit. Diese wird in der Literatur auch als ‚räumliche Definitionsmacht‘ konzeptualisiert.


Migration, Mobilität und die Struktur sozialer Gruppen im europäischen Neolithikum
Martin Furholt
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Ur- und Frühgeschichte

Es ist bemerkenswert und teils beunruhigend, wie Diskussionen um prähistorische Migrationsphänomene in der Archäologie aktuelle politische Auseinandersetzungen spiegeln. So wird eine Reihe von fragwürdigen Prämissen über soziale Gruppen häufig unreflektiert dazu verwendet, stereotype Gesellschaftsbilder des frühen 20. Jahrhunderts zu propagieren, und durch ihre vermeintliche Gültigkeit in der Urgeschichte zu naturalisieren. Entscheidend hierbei ist das Vorurteil der wholeness sozialer Phänomene (n. Greenblatt 2009), d.h. die prämissenhafte Vorstellung einer Abgeschlossenheit und Homogenität sozialer Gruppen und eine auf dem selben Prinzip aufbauende Vereinfachung und Vereinheitlichung von sozialen Phänomenen, wie etwa der „Migration“. Auf dieses Vorurteil aufbauend werden in Kossinna´scher Manier kulturell geschlossene Einheiten künstlich erzeugt, einander gegenübergestellt und in zeitlich und räumlich klar abgegrenzten Ereignissen Völkerwanderungsszenarien über die Europakarte verschoben. Diese konzeptuelle Verengung sozialer Phänomene auf homogene Schubladen führt dazu, Migration als einen externen Faktor von Gesellschaften zu betrachten, anstatt als innergesellschaftliches Phänomen; sie führt dazu falsche Dichotomien zu erzeugen, etwa den Gegensatz zwischen Migranten und Nichtmigranten, Migration und Diffusion. Diese Verengung in der Archäologie ist umso verwunderlicher, als in der kulturanthropologischen Forschung seit Jahrzehnten intensiv zur Frage von Migration und Mobilität und seinem sozialen Kontext geforscht wird. Hier liegen Modelle sehr unterschiedlicher Migrations- und Mobilitätsmuster vor, die auf unterschiedlichen Skalenebenen angesiedelt sind. Sie bieten die Möglichkeit für die Prähistorische Archäologie, neu über Migration als innergesellschaftlichem Phänomen nachzudenken, und sich intensiver mit der Frage auseinanderzusetzen, welche sozialen Voraussetzungen und Konsequenzen unterschiedliche Formen von Mobilität und Migration haben.
Schließlich ist die Verteilung materieller Kultur im Raum, die ja schon im Rahmen der traditionellen kulturhistorischen Archäologie mit Phänomenen von Migration in Zusammenhang gebracht wurde, entscheidend für die Identifikation und nähere Charakterisierung von Migrations- und Mobilitätsphänomenen in der Urgeschichte. Dies kann und sollte in einem konzeptionellen Rahmen geschehen, der die oben kritisierte pauschalisierende „wholeness“-Prämisse sozialer Phänomene fallen lässt und nicht vermeintlich kulturell kohärente Einheiten mit kollektiver Agency miteinander in Kontakt treten lässt, sondern in einem konzeptionellen Rahmen, der individuelle Handlungen und Entscheidungen zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen macht.
In meinem Vortrag soll es vor allem darum gehen, Überlegungen zu Mobilität und Migration in einen Zusammenhang zu den sozialen Prozessen zu stellen, die zur Bildung und Aufrechterhaltung regional (relativ) einheitlicher materieller Kultur (irreführend als „archäologische Kulturen“ bezeichnet) führen. Dies ist mit einer Diskussion der Frage der Struktur und Zusammensetzung sozialer Gruppen verbunden, die unter anderem von den vorherrschenden Mobilitätsmustern beeinflusst werden. Ich werde darstellen, auf welche Weise es möglich ist, über das archäologische Material einen Zugriff auf die spezifischen Muster von Mobilität und Migration und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Strukturen zu erhalten. Damit kann die Archäologie einen signifikanten Beitrag zur Migrationsdebatte liefern und muss das Feld nicht den Molekularbiologen überlassen.

Literatur: Greenblatt 2009: S. Greenblatt, Cultural Mobility: A Manifesto (Cambridge, UK ; New York 2009).


Was haben Dinge mit Migrationen zu tun? Einblicke in komplexe „Mensch-Objekt-Wanderungen“ am Beispiel von Fundensembles aus Hochdorf und der Heuneburg
Thomas Hoppe1, Stefan Schreiber2, Birgit Schorer, Maxime Rageot, Angela Mötsch, Janine Fries-Knoblach, Dirk Krausse, Cynthianne Spiteri, Philipp W. Stockhammer
1 Landesmuseum Württemberg, Stuttgart, BMBF-Projekt „BEFIM“; 2 Ludwig-Maximilians-Universität München, BMBF-Projekt „BEFIM“

In den Archäologien wird Migration zumeist mit der Mobilität von Menschen, Diffusion mit der Mobilität von Ideen und Objekten verbunden. Wir möchten diese Trennung in Frage stellen und stattdessen ein Alternativmodell zu Migrationen anbieten, welches die Verflechtung von Menschen, Ideen und Objekten in den Blick nimmt und nach ihren „Wanderungen“ fragt. Am Beispiel von Fundensembles aus Hochdorf und der Heuneburg möchten wir hinterfragen, ob eine Trennung in Migrationen und Diffusionen immer sinnvoll ist. Dazu diskutieren wir die Komplexität der eingegangenen Verflechtungen, aber auch die Vorteile der Perspektive integrativer „Mensch-Objekt-Wanderungen“.


Migrationen, Identität und Angst – Das Fallbeispiel Griechenland und die Geflüchteten. Eine ethno-archäologische Projektskizze
Blandina Cristina Stöhr
Freie Universität Berlin

Durch politische Instabilität und Kriege in Ländern wie z.B. Syrien, Afghanistan, Libanon oder auf den afrikanischen Kontinent flüchten derzeit und zukünftig eine große Anzahl Menschen. Da Griechenland eins der ersten Ankunftsländer für die Flüchtlinge ist, sind die Begegnungen zwischen Einwohnern und Geflüchteten in einzigartiger Weise unmittelbar. In meinem Vortrag skizziere ich ein ethno-archäologisches Projekt, welches sich mit Identitätsaushandlungen in Migrationssituationen auseinandersetzen wird und diese auf einer Mikroebene analysiert. Häufig werden in archäologischen Ansätzen Migrationen entweder als Kollektivphänoneme verstanden oder auf bioarchäologische Marker reduziert. Daher stehen oft die Migrierenden im Fokus. Mir erscheint jedoch die Kommunikation der und mit der Bevölkerung an dieser Stelle genauso wichtig. Wie beeinflusst die konkrete Kontaktsituation die Identitätsaushandlungen innerhalb der griechischen Bevölkerung und was für eine Rolle spielt die Angst „vor“ den Geflüchteten in Bezug auf die persönliche Identität? Wie geht die einzelne Person mit einer solchen Veränderung in seinem Lebensumfeld um und was bedeutet das für die Konzeption von Migrationen in der Archäologie?


Frage Migration? Antwort Ungleichheit! Ein Kommentar zum aktuellen Forschungsdiskurs und ein Plädoyer für einen Perspektivwechsel
Martin Renger
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Institut für Archäologische Wissenschaften, Lehrstuhl für Vorderasiatische Archäologie

Die Archäologie steckt in einem Dilemma. Wenn sich gesellschaftliche Verhältnisse in die Architektur einschreiben – wie es beispielsweise Foucault skizziert – oder allgemeiner formuliert in der Materialität soziokultureller Formationen Ausdruck finden, dürften zudem im Ergebnis in Vergegenständlichungsformaten manifest gewordene Prozesse wie Migration fassbar werden, die zweifelsohne transformative Momente und Dynamiken in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens auslöst. Aktuelle Beispiele hierfür sind hinlänglich bekannt und sowohl in staatlichen Maßnahmen wie auch in informellen (urbanen) Strukturen offensichtlich. Der sich dabei ebenso räumlich zeigende Unterschied zwischen dem „wir [?] (hier)“ und „die anderen [?] (dort)“ könnte zurzeit nicht deutlicher hervortreten. Doch welche Hinweise, Einblicke und Rückschlüsse diesbezüglich ermöglichen urgeschichtliche, uns weitaus fragmentierter vorliegende Kontexte? Dass Migration oder allgemeiner Mobilität keine singulär auftretende Erscheinung formiert, sondern eher zur regelhaften Tatsache menschlicher Realitäten gehört, sollte mittlerweile evident sein. Gleichfalls jedoch auch die erkenntnistheoretische Sackgasse aus dingweltlichen Diversitäten, das ‚Fremde‘ oder ‚Neue‘ vom ‚Lokalen‘ und ‚Alten‘ abzugrenzen und mit jeweils dahinterstehenden spezifischen Personengruppen zu besetzen; deren Machbarkeitsdiskussion wurde durch Kramers eindringliche Kritik „Pots are not People!“ 1977 noch einmal entscheidend hinterfragt und inzwischen weitgehend durch andere Erklärungsansätze und Konzepte wie Netzwerkmodelle ersetzt. Das zuweilen ausgereizte und als defizitär empfundene genuin archäologische Rüstzeug wird derzeit durch konkrete naturwissenschaftliche Methoden ergänzt und zu kompensieren versucht, die in der Frage Migration Erfolg versprechen sollen. Doch scheint auch das philosophisch-sozialwissenschaftliche Potenzial hierfür nicht gänzlich erschöpft, muss aber unter veränderten Parametern Betrachtung finden. Dabei liegen weniger Ausgangs- und Endpunkt von Migration, sondern die permanent dadurch ausgelösten bzw. damit einhergehenden gesellschaftlichen Veränderungsprozesse im Zentrum des Interesses. Dieses ist eher an Termini wie ‚Capability‘ sowie ‚Ungleichheit‘ und ihre Sichtbarkeit im archäologischen Befund entlang der sich stets neukonstituierenden Sozialformationen insgesamt orientiert, anstatt zwischen diskursiv durch einen an (National-)Staatlichkeitskonzepten ausgerichteten Migrationsbegriff vorgeprägten gesellschaftlichen Parallelstrukturen abzuwägen.

Archäologie und Macht. Positionsbestimmungen für die Zukunft der Vergangenheitsforschung. DGUF-Tagung

Vom 5. bis 8. Mai 2016 findet im Berliner Kulturforum die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte (DGUF) statt.

„Archäologie wird in einem komplexen Kräftespiel betrieben, in dem sich auch entscheidet, wie viel fachlich gesteuerte staatliche Archäologie es künftig noch geben wird und wie stark die archäologischen Institutionen angesichts widerstrebender Interessen auftreten können. Andere Akteure gewinnen derzeit rapide an Einfluss, z. B. in Sozialen Medien. Gesetze, welche die Archäologie massiv beeinflussen, werden beschlossen – und die Archäologie agiert und reagiert kaum. Dabei werden die berufliche Zukunft von Archäologinnen und Archäologen und die Qualität ihres Berufslebens gestaltet, und nicht zuletzt wird das öffentliche Interesse an Archäologie ausgehandelt. Wie kann, wie muss sich Archäologie dabei einbringen, damit das Fach und die Erforschung der Vergangenheit eine tragfähige Zukunft haben?“

Detailliertere Tagungsbeschreibung

Tagungsprogramm und Programmheft

Programm der Sektion „Theory on stage. Das Museum als Diskursraum archäologischer Theorie?“

Auf der 22. Jahrestagung des MOVA/83. Verbandstagung des WSVA vom 29. März – 01. April 2016 in Chemnitz veranstalten wir eine Sektion am Dienstag, den 29.03.2016, zum Thema „Theory on stage. Das Museum als Diskursraum archäologischer Theorie?“

16437379213_8bf49447db_b

Programm Di 29.03.2016 (Tagungsraum: Hörsaal 205)

09.00 Uhr • Doreen Mölders / Einführung
09.30 Uhr • Sabine Rieckhoff / Identitätsfindung – Ideologisierung – Ökonomisierung.
Zeitgeist und Zeitgeschichte im Spiegel archäologischer Museen
10.00 Uhr • Anja Grothe / Michael Schefzik / Krieg – eine archäologische Spurensuche – das Konzept

10.30 Uhr • Kaffeepause

11.00 Uhr • Jens Beutmann / Geld. Archäologie einer Idee
11.30 Uhr • Anna Flückiger / Plündernde Barbaren und dunkle Jahrhunderte. Affirmation und Reflexion von Narrativen der Frühgeschichte in archäologischen Ausstellungen
12.00 Uhr • Lisa Noggler-Gürtler / Eindeutig vieldeutig – „Römer oder so. Eine Ausstellung
zum Gräberfeld in Brigantium“, vorarlberg museum, Bregenz

12.30 Uhr • Mittagspause

14.00 Uhr • (Vortrag entfällt leider) Christoph Hölzel / Das Berliner Vorderasiatische Museum im 21. Jahrhundert?
14.30 Uhr • Astrid Hackel / Paläontologische Diskurse im Spiegel der Ausstellungsgestaltung. Eine Spurensuche im Berliner Naturkundemuseum

15.30 Uhr • Kaffeepause

16.00 Uhr • Sabine Wolfram / In die Tiefe der Zeit. Die archäologische Dauerausstellung des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz

Abstracts

Doreen Mölders: Einführung

Archäologische Museen sind fester Bestandteil der Museumslandschaft. Sie gehören zu den klassischen Ausstellungshäusern mit großen Sammlungen. Sie sind Depots und Orte des Bewahrens. Sie leisten Arbeit an der Vergangenheit, stellen Identitäten, Alteritäten und Alienität zur Diskussion und stehen damit in Verantwortung gegenüber ‚der Öffentlichkeit‘ und deren kulturellem Gedächtnis. Doch welche Theorien und Konzepte liegen implizit und explizit den Ausstellungsnarrativen archäologischer Museen zu Grunde? Welche und wessen Geschichte wird mit welchen Mitteln erzählt? Ist archäologische Theorie für das Praxisfeld Museum überhaupt relevant? Diese und andere Fragen werden in der Sektion der AG TidA diskutiert.

Sabine Rieckhoff: Identitätsfindung – Ideologisierung – Ökonomisierung. Zeitgeist und Zeitgeschichte im Spiegel archäologischer Museen

Der Umgang mit archäologischen Objekten zu jeder Zeit, angefangen vom zufallsbedingten Sammeln der Renaissance bis hin zur Kommerzialisierung heutiger Eventkultur, unterliegt historischen Bedingungen, die eine Wechselwirkung erzeugen. Ausgewählte Beispiele zeigen, wie einerseits diverse soziologische, philosophische,
etc. Theorien Ausstellungsnarrative geschaffen haben und andererseits aber auch das Museum als sozialer Raum wirkt, der Diskurse produziert.

Anja Grothe / Michael Schefzik: Krieg

Jens Beutmann: Geld. Archäologie einer Idee

Unter dem Arbeitstitel „Geld. Archäologie einer Idee“ bereitet das smac für die zweite Jahreshälfte 2016 (Eröffnung 26. Mai) seine erste selbst konzipierte Sonderausstellung vor. Anlass ist die Finanzkrise von 2008 und ihre bis heute spürbaren Folgen. Wir stellen uns die Frage „Was ist Geld und wie ist es zu dem geworden?“ und es zeigt sich, dass die gegenwärtige Rolle des Geldes sich tatsächlich zu guten Teilen aus der Geschichte heraus verstehen lässt. Geld und die damit verbundene Form zu wirtschaften ist ein Ergebnis gesellschaftlicher „Verhandlungen“ – ein Ergebnis, das Geisteswissenschaftler nicht unbedingt überrascht, für eine allgemeine Öffentlichkeit aber relevant sein mag. Die Ausstellung will sich dem Phänomen mit Witz und Unterhaltungswert annähern.

Anna Flückiger: Plündernde Barbaren und dunkle Jahrhunderte. Affirmation und Reflexion von Narrativen der Frühgeschichte in archäologischen Ausstellungen

In der frühgeschichtlichen Archäologie stehen derzeit u. a. forschungsbestimmende Leitmotive im Fokus der Theoriediskussion. Einige davon wurden in der Forschung als Narrative identifiziert, während sie in Ausstellungen nach wie vor als historische Sachverhalte tradiert werden. Im Vortrag wird nach der Einbettung dieser Narrative im Ausstellungskontext gefragt: Wie werden sie in Wort und Bild präsentiert? Wie wird mit der Diskrepanz zwischen Forschungsstand und vermittelten Narrativen umgegangen? Anschließend folgen Anregungen, wie Ausstellungen dazu genutzt werden könnten, diesen Widerspruch aufzulösen oder die Diskussion dazu mitzugestalten.

Lisa Noggler-Gürtler: Eindeutige vieldeutig – „Römer oder so. Eine Ausstellung zum Gräberfeld in Brigantium“, vorarlberg museum, Bregenz

Die scheinbar einfache Frage „Wer liegt da begraben?“ lässt sich nicht sicher beantworten. Bei aller Wissenschaft bleibt Raum für Spekulationen. Mann, Frau? Reich, arm? Von hier oder von dort? Wie alt denn nun? Ausstellungen zu Archäologischen Themen genießen häufig unhinterfragt den Ruf, „wahre“ wissenschaftliche Aussagen zu treffen, die sich auch in der musealen Präsentation manifestieren. „Römer oder so. Zum antiken Gräberfeld von Brigantium“ stellt das Spekulative in den Mittelpunkt – Skizzenhaftes und Eventuelles versus Gesichertes und Bekanntes. Narration und Szenografie setzen darauf, aktuellen Klischees, stereotypen Bildern
und scheinbar sicherem Wissen über die Vergangenheit zu begegnen.

Christoph Hölzel: Das Berliner Vorderasiatische Museum im 21. Jahrhundert?

Die Räume des VAM sind nach dem forschungsgeschichtlichen Kulturkreisprinzip angeordnet. Die diachrone, typologische Objektanordnung suggeriert einen starren, unveränderlichen „Alten Orient“. Daher präsentiert die momentane Ausstellung einen veralteten archäologischen und museologischen Forschungsstand. Dieser Beitrag versteht sich als Versuch, die Ausstellungsplanung im Rahmen des „Masterplans Museumsinsel“ in die Öffentlichkeit zu bringen und verschiedene Gruppen an dem Diskurs für ein kritisches Museum zu beteiligen. Anhand der experimentellen Labors des „Humboldt-Labs“ sollen Ideen für eine Neu- oder Umgestaltung entwickelt und vorgestellt werden.

Astrid Hackel: Paläontologische Diskurse im Spiegel der Ausstellungsgestaltung. Eine Spurensuche im Berliner Naturkundemuseum

Von der paläontologischen Fundstätte in der Wüste über ihrer ‚natürlichen‘ Umwelt enthobene Sauropoden-Skelette, die erst in der filmischen Verlängerung der Ausstellung zum Leben erwachen bis hin zur jüngst eröffneten T-Rex-Ausstellung, die das Skelett eines tyrannosaurus rex nicht als pars pro toto, sondern als gespensterhaften Schatten eines 60 Mio. Jahre alten Exemplars inszeniert: Am Beispiel des Museums für Naturkunde in Berlin unterzieht der kulturwissenschaftlich motivierte Beitrag historische Einschnitte in der Ausstellungsgestaltung von Sauriern einer kritischen Analyse und berücksichtigt dabei insbesondere die Wechselwirkungen zwischen dem Stand der paläontologischen Forschung und einer die Ansprüche und Selbstsicht dieser Forschung reflektierenden Szenografie.

Sabine Wolfram: In die Tiefe der Zeit. Die archäologische Dauerausstellung des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz

In einer Führung durch die archäologische Dauerausstellung des Staatlichen Museums für Archäologie Chemnitz – kurz smac – erklärt Sabine Wolfram Konzept und Inszenierung der Ausstellung, die seit Mai 2014 geöffnet ist.

 

Programm zur Tagung „Massendinghaltung in der Archäologie“

Massendinghaltung in der Archäologie.
Der material turn und die Ur- und
Frühgeschichte

Tagung der Arbeitsgemeinschaft Theorien in der Archäologie e.V. (AG TidA)

Organisation: Kerstin P. Hofmann, Thomas Meier, Doreen Mölders und
Stefan Schreiber

23. – 25. Mai 2013 Berlin, Topoi Building Dahlem, Hittorfstr. 18, 14195 Berlin

Die Archäologie gehört zu den wenigen Wissenschaften, die sich seit ihrer Herausbildung als akademische Disziplin stets um die Akzeptanz von Objekten als Ausdruck kulturellen Wissens bemühen. Sie sollte daher den meisten kulturwissenschaftlichen Disziplinen im analytischen Umgang mit den Dingen einige Schritte voraus sein. Im Zuge des material turn und der Ausweitung des Forschungsinteresses anderer Kulturwissenschaften auf die
Materielle Kultur bietet sich der Archäologie erstmals die Möglichkeit, die gewonnenen Erfahrungen mit den Dingen, ihrem Eigensinn und ihrer Tücke interdisziplinär zu diskutieren und gleichzeitig die fachinternen Praktiken aus einer anderen Perspektive kritisch zu hinterfragen.
Wir wollen mit der Tagung „Massendinghaltung in der Archäologie. Der material turn und die Ur- und Frühgeschichte“ diese Gelegenheit nutzen, um das gegenwärtig vielbeschworene Interesse an den Dingen in den archäologischen Blick zu nehmen. Darüber hinaus haben wir Expertinnen anderer Wissenschaften gebeten, von einem jeweils spezifischen Standpunkt aus auf die Dinge und deren archäologische Handhabung zu schauen.
Das Programm wird von Referentinnen und Referenten verschiedener Disziplinen gestaltet. Dabei werden in 17 Redebeiträgen die Facetten von Materialität beleuchtet, die Beziehungen zwischen Menschen und Dingen aufgedeckt und Sammlungen zu Besonderen Orten von Dingen erklärt.

Wir laden alle Interessenten dazu ein, an der Tagung teilzunehmen und mit uns zu diskutieren. Außerdem nehmen wir bis zum 2. Mai gern Vorschläge für Poster zum Beispiel zum Thema workplace studies an, auf denen Forschungspraktiken in Interaktion mit archäologischen Dingen oder Dinge des Arbeitsalltags gezeigt und beschrieben werden.
Weiterhin rufen wir dazu auf, in Kurzbeiträgen am Rande geliebte oder auch gehasste Dinge wissenschaftlicher Tätigkeit dem Publikum materiell vorzustellen!

In einem Rahmenprogramm werden wir am Donnerstag, den 23. Mai, 18 Uhr in Kleingruppen das Magazin im Museum Schloss Charlottenburg und am Samstag, den 25. Mai, 10 Uhr das Museum der Dinge (Eigenbetrag ca. 6 Euro/Person) besuchen. Für beide Veranstaltungen ist eine verbindliche Anmeldung unter massendinghaltung@gmx.de bis zum 30. April erforderlich.

PROGRAMM
Donnerstag, 23.05.13

9:30 Doreen Mölders (Chemnitz): Einleitung

10:00 Matthias Jung (Frankfurt/M.):  Krüge und Henkel. Ein „material turn“ in der deutschen Philosophie und Soziologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts

10:30 Kaffee

11:00 Thomas Meier (Heidelberg): Materialität – ein (un)zeitgemäßes Konzept?

11:30 Stefan Schreiber (Berlin):  Cyborgs in der Vergangenheit: Posthumanismus oder eine neue sozial(er)e Archäologie?

12:00 Philipp W. Stockhammer (Heidelberg): Mensch-Ding-Verflechtungen aus ur- und frühgeschichtlicher Perspektive

12:30 Mittagessen

13:30 Kerstin P. Hofmann (Berlin): Das Ding als historische Quelle in Revision

14:00 Manfred K. H. Eggert (Tübingen) & Stefanie Samida (Potsdam): Überlegungen zum historischen Potential des Materiellen oder Können Dinge der Vergangenheit redundant sein?

14:30 Kaffee

15:00 Hans Peter Hahn (Frankfurt/M.): Sammlungen – Besondere Orte von Dingen und ihr Eigensinn

15:30 Astrid Hackel (Berlin):  Die tourende Sammlung: Jan Lauwers und Needcompanys Performance Isabellas Zimmer als Gegenentwurf zur Institutionalisierung der Dinge

16:00 Dominik Collet (Heidelberg): Dinge als „disciplinary objects“. Frühe universitäre Sammlungen und die Naturalisierung neuer Wissensfelder

16:30 Diskussion

17:00 Abfahrt in Richtung Schloss Charlottenburg

18:00 Besuch des Magazins im Museum Schloss Charlottenburg
(Anmeldung erforderlich!)

20:00 Möglichkeit zum gemeinsamen Abendessen in der Trattoria Opera Italiana, Spandauer Damm 5, 14059 Berlin

Freitag, 24.05.13

9:30 Susanne Grunwald (Berlin): „Riskante Zwischenschritte“. Archäologische Kartographie in Deutschland um 1900

10:00 Katja Rösler (Maintal): Mit den Dingen rechnen: „Kulturen“-Forschung und ihr Geselle Computer

10:30 Kaffee

11:00 Arnica Keßeler (Berlin): Affordanz oder was Dinge können!

11:30 Tatiana Ivleva (Leiden): A totality of things and objects: multifaceted British-made brooches abroad

12:00 Mittagessen

13:00 Reinhard Bernbeck (Berlin): Akkumulieren ist eine Suchtkrankheit und Archäologie ist ihr Symptom

13:30 Raimund Karl (Bangor): My preciousssss… Oder: every sherd is sacred

14:00 Kaffee

14:30 Sabine Rieckhoff (Leipzig/Regensburg): Ist das Archäologie oder kann das weg?

15:00 Abschlussdiskussion

16:00 Mitgliederversammlung der AG TidA

Samstag, 25.05.13

10:00 Besuch im Museum der Dinge mit Führung (Anmeldung
erforderlich, Eigenbeitrag ca. 6 € pro Person!)

ABSTRACTS

Matthias Jung

Krüge und Henkel. Ein „material turn“ in der deutschen Philosophie und Soziologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Bereits in der deutschen Philosophie und Soziologie des frühen 20. Jahrhunderts ereignete sich ein „material turn“, eine Hinwendung zu konkreten und alltäglichen Dingen, die, neben dem logischen Positivismus, Ausdruck eines wiedererstarkenden Empirismus war. Als exemplarisch für diesen Prozess sollen Texte von Ernst Bloch, Georg Simmel und Martin Heidegger diskutiert werden, die sich mit der Getränkeaufbewahrung dienenden Gefäßen beschäftigen. Das Interesse der nicht aufeinander Bezug nehmenden Theoretiker ausgerechnet an derartigen Gefäßen gründet darin, dass es sich um Gegenstände handelt, die beständig in Gebrauch sind, die sich aufgrund ihrer umfangreichen Außenfläche in besonderer Weise zu künstlerischen Gestaltungen eignen und die schließlich als dem Komplex der Konsumtion von Getränken angehörig oft in die gemeinsame soziale Praxis mehrerer Personen eingebettet sind. Ziel des Beitrags ist die Klärung der Frage, warum die an den Versuchen Blochs, Simmels und Heideggers ablesbaren Ansätze zu einer Hermeneutik materieller Kultur weitgehend versandeten, ohne eine Tradition begründen zu können, und ob eine Rückbesinnung auf ihre Konzepte, die (soweit ich sehe) keinen oder zumindest keinen unmittelbaren Einfluss auf die seinerzeit sich allmählich etablierende ur- und frühgeschichtliche Archäologie hatten, für eine Erschließung der Bedeutung von Zeugnissen materieller Kultur auch gegenwärtig noch fruchtbar sein kann.

Matthias Jung
Institut für Grundlagen der Gesellschaftswissenschaften
Goethe-Universität Frankfurt am Main
matjung@stud.uni-frankfurt.de

Thomas Meier                                                                                   Materialität – ein (un)zeitgemäßes Konzept?

Materialität als unveränderlicher, den Dingen innewohnender Kern, deren
phänomenologische Gewalt (Frers) und Präsenz (Gumbrecht), ihr (akteurtheoretischer?) Eigensinn nebst ihrer Tücke oder ihr eigenes Recht sind derzeit in den Kulturwissenschaften en vogue. Aber sind sie wirklich so neu und modisch, wie sie vorgeben zu sein, sind sie zeitgemäß? Jenseits innovatorischer Rhetorik („material turn“) greift das Konzept einer essentialistisch verstandenen Materialität – betont oder auch in wissenschaftsgeschichtlicher Unkenntnis – in meist stark vereinfachter Form Ansätze aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auf, die letztlich als phänomenologisch zu bezeichnen sind. Dabei wird mancherlei übersehen: Die Wissenschaftstheorie hat sich weiterentwickelt, und was um 1900 (Husserl) oder 1920/40 (Heidegger) ohne weiteres schlüssig war, muss sich heute den erkenntnistheoretischen Debatten der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts stellen. Insbesondere hat der (radikale) Konstruktivismus einem phänomenologisch-essentialistischen Ansatz den theoretischen Boden entzogen, und jede Phänomenologie muss nun gegenüber dem Konstruktivismus nachweisen, dass sie eine essentialistische Materialität der Dinge logisch zu begründen vermag. „Flotte“ Auswege, den Konstruktivismus schlicht für überholt zu erklären (z.B. Latour, Gumbrecht) oder den Dingen gegen ein Übermaß an Idealismus zu ihrem Recht verhelfen zu wollen, bleiben argumentativ leer und scheinen darauf hinzudeuten, dass epistemologische Begründungen fehlen. Die Annahme einer apriorischen Materialität, die vom Menschen, wenn auch in kulturellen Ausformungen, erkannt werden könne, basiert letztlich auf dem Cartesischen Dualismus von Geist (res cogitans) versus Materie (res extensa), der sich wissenschaftshistorisch als kulturelle Perspektive einer genuin westeuropäischen Geistesgeschichte darstellt. Auch diese Entstehungsbedingungen des Konzepts „Materialität“ sprechen gegen die ontologische Annahme einer Materialität als kulturunabhängigem Wesenskern der Dinge.
Das Konzept „Materialität“ bedient ein positivistisches Weltbild, das in den Dingen die Basis der Erkenntnis vermutet, und dient damit der Durchsetzung eines naturwissenschaftlichen Blicks auf die Welt. Diese Perspektive, welche die Welt zum Objekt macht, ist ganz wesentlich ein diskursives Machtinstrument (Foucault) und erkenntnistheoretisches Problem der westlichen Kulturen (Groh). In der Kombination von Eurozentrismus und Anspruch auf Allgemeingültigkeit trägt es in seiner Anwendung auf fremde Kulturen kolonialistische Züge.
Das Konzept „Materialität“ scheint daher zwar an der Oberfläche eine neue, aktualistische Wende der Kulturwissenschaften zu begründen, entlarvt sich bei näherer Betrachtung aber als äußerst rückw.rtsgewandt – und zwar sowohl in erkenntnistheoretischer wie in machtstruktureller Hinsicht. Es bedient mit modisch-theoretischem Anstrich und erheblicher epistemologischer Ignoranz die positivistische Überzeugung des 19. Jahrhunderts, die Basis der Erkenntnis sei das Material, und blockiert damit eine breite erkenntnistheoretisch informierte Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Archäologie.

Thomas Meier
Institut für Ur- und Frühgeschichte
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
thomas.meier@zaw.uni-heidelberg.de

Stefan Schreiber                                                                                  Cyborgs in der Vergangenheit: Posthumanismus oder eine neue sozial(er)e Archäologie?

Archäologie muss sich als Institution der „Massendinghaltung“ neben Fragen der Akkumulation, Lagerung und Konservierung auch den methodologischen und ethischen Problemen einer solchen Praxis stellen. So muss auch gefragt werden, wie und unter welchen Bedingungen wir Akteur_innen der Vergangenheit in Dinge verwandeln, die wir „entrechtet“ in Käfige und Kartons verpacken und solcherart Gewalt über sie ausüben. Kürzlich prophezeite Stefan Burmeister, dass der material turn verstärkt posthumanistische Konzepte in die Archäologie einbringen werde (Burmeister 2012). Zugleich wies er darauf hin, dass der emanzipatorische Gedanke des Posthumanismus, ähnlich wie im Humanismus selbst, ein repressives Potential entfalten könnte. So fokussiert der Posthumanismus auf die Rechte von Pflanzen, Tieren, Künstlichen Intelligenzen und anderen auch hybriden Akteur_innen. Menschlichkeit tritt als Eigenschaft von Akteur_innen bzw. Aktanten in den Hintergrund, postsubjektive Formen der Handlungsfähigkeit – agency – rücken ins Zentrum. Um sich der Frage zu nähern, welchen Charakter eigentlich die durch die Archäologie untersuchten vergangenen Akteur_innen haben – seien es nun der „indian behind the artifact“ oder der „indian behind the indian“ oder aber das Artefakt selbst – wird im Vortrag Donna Haraways Konzept der Cyborg angeführt (Haraway 1991). Als Folge der Dekonstruktion der Grenzziehung zwischen Tier und Mensch, Mensch und Ding/Maschine sowie Physikalischem und Nichtphysikalischem führt sie die Cyborg als posthumanistische Akteur_in der Gegenwart ein, die sie kulturkritisch für die Schwächung und Überwindung anderer humanistischer und dualistischer Grenzen, wie der zwischen Geschlechtern und Spezies nutzen möchte. Für die Archäologie und damit für die Akteur_innen der Vergangenheit bietet sich dieses Konzept m.E. an, da nicht a priori bestimmte subalterne Gruppen, welche bislang durch die hegemoniale Stellung männlich-weiß-westlich geprägter Wissenschaft vernachlässigt wurden – so z. B. Frauen, Greise, Tiere und Dinge und auch alle hybriden „Trans-Ding-Akteur_innen“ –, ausgeblendet oder benachteiligt und als konturlose Massen gehalten und genutzt werden. Der Vortrag thematisiert die Chancen und Möglichkeiten von Cyborgs in der Vergangenheit, die Fokussierung auf das soziale, verbindende zwischen den verschiedenen Akteur_innen. Zugleich soll aber auch der Frage nachgegangen werden, ob Archäologie nicht schon immer posthumanistisch gearbeitet hat und der material turn eigentlich ein non-human turn ist und damit zur Unterdrückung des Menschen statt zur Gleichberechtigung und Emanzipierung hybrider und nicht-menschlicher Gruppen führt. Führen uns Cyborgs in der Vergangenheit zu einer posthumanistischen oder einer neuen sozial(er)en Archäologie?

Stefan Schreiber
Institut für Prähistorische Archäologie
Freie Universität Berlin
stefan.schreiber@topoi.org

Philipp W. Stockhammer

Mensch-Ding-Verflechtungen aus ur- und frühgeschichtlicher Perspektive

In den letzten Jahren wurde die Archäologie mit dem wachsenden Interesse der benachbarten Disziplinen konfrontiert, die von der Erfahrung der Archäolog(inn)en im Umgang mit materieller Kultur lernen wollten. Um diesen neuen Anforderungen auch gerecht werden zu können, müssen wir uns der methodischen Herangehensweisen und erkenntnistheoretischen Potentiale unseres Fachs im Umgang mit den Dingen bewusst werden und unsere
Analyseschritte auf eine Art und Weise definieren, die den interessierten Nachbardisziplinen die Möglichkeit zum Anschluss bietet. Aus diesem Grund ist es notwendig, den Practice Turn der Kultur- und Sozialwissenschaften auch in der Archäologie nachzuvollziehen (Stockhammer 2012) und zugleich einen neuen, eigenständigen, methodischen Ansatz zur Analyse von Mensch-Ding-Verflechtungen zu entwerfen, wie dies bereits Ian Hodder (2012) versucht hat. In meinem Vortrag möchte ich mit vier entscheidenden Themenkomplexen unsere Herangehensweise an die Dinge beleuchten, nämlich die Objekte in ihrer Materialität, in ihrem archäologischen Kontext, in ihrer räumlichen Verbreitung und in ihrer Macht und Bedeutung in Relation zum Menschen. Eine Integration und Aneignung von Aspekten der Akteur-Netzwerk-Theorie Bruno Latours in unsere Methodologie wird uns ermöglichen, noch weiterführende Einblicke in die komplexen Mensch-Ding-Verflechtungen der Vergangenheit zu gewinnen. Latour vernachlässigt allerdings das transformative Potential von Objekten, das ich als die doppelte Wandelbarkeit der Dinge definieren und dann die Wirkungsmacht dieser Wandelbarkeit auf den Menschen beim Umgang mit den Dingen herausstellen möchte.

Philipp W. Stockhammer
Institut für Ur- und Frühgeschichte
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
philipp.stockhammer@zaw.uni-heidelberg.de

Kerstin P. Hofmann

Das Ding als historische Quelle in Revision

Durch den material turn und die Suche nach authentischer historischer Substanz kam es in den letzten Jahren zu einer Aufwertung der archäologischen Funde und Befunde gegenüber den seit den Anfängen der Geschichtswissenschaft überwiegend präferierten Schriftquellen. Die Archäologie sowie ihre Praktiken und Techniken der Massendinghaltung (Bergung, Dokumentation, Klassifikation, Archivierung, Auswertung und Präsentation von Funden) erfahren eine bis dato so nie gekannte Aufmerksamkeit. Gleichzeitig orientiert man sich in der Archäologie bei den Versuchen, den Zeugniswert materieller Hinterlassenschaften zu bestimmen, jedoch immer noch an den Altmeistern der historischen Zunft, Johann Gustav Droysen und Ernst Bernheim, und verwendet auch heute noch ihre primär für Schriftquellen entwickelte Systematik. Ziel des Vortrages soll es sein, den spezifischen Quellencharakter materialer historischer Überlieferung in Form von Dingen und die ihnen inhärenten Artikulationsformen des Vergangenen auf Grundlage der neuen Ansätze und Theorien der material culture studies zu erörtern – ohne dabei die den Dingen innewohnende Bescheidenheit durch das Pathos des Authentischen abzulösen und die Konstruktionsvorgänge der vermeintlich objektiv gegebenen, unmittelbar und wahrhaftig auf uns überkommenden historischen Dingwelten unberücksichtigt zu lassen.

Kerstin P. Hofmann
Institut für Prähistorische Archäologie
Freie Universität Berlin
kerstin.hofmann@topoi.org

Manfred K. H. Eggert & Stefanie Samida

Überlegungen zum historischen Potential des Materiellen oder Können Dinge der Vergangenheit redundant sein?

Der Vortrag sucht die Problematik der archäologisch erschlossenen und erschließbaren Überreste der Vergangenheit aus einem erkenntnis- und geschichtstheoretischen Blickwinkel zu behandeln. Pragmatische Aspekte ihrer Restaurierung, Konservierung und Lagerung werden im Einzelnen zwar nicht erörtert, bilden aber den Hintergrund unserer Ausführungen. Wir möchten den „Dingen auf die Spur“ kommen, indem wir zum einen die der Materiellen Kultur innewohnende Dimension der „Dingbedeutsamkeit“ (K.-S. Kramer) untersuchen. Hierbei haben wir es im Wesentlichen mit der „auratischen“ Sphäre von Sachgut zu tun. Es ist als Überrest aus einer mehr oder minder fernen Vergangenheit oder einem entsprechenden kulturellen Kontext als etwas „Fremdes“ in unserer Kultur präsent. Die Aura archäologisch erschlossener Überreste etwa ist ein gutes Beispiel für die Faszination, die „alte“ Dinge beim Betrachter auslösen. Das Auratische ist aufs Engste mit Einfühlung und emotionaler Hinwendung zu den materiellen Überresten der Vergangenheit verknüpft. Aus idealtypischer Sicht stellt dies gewissermaßen den Gegenpol des von uns angestrebten Ziels dar: Uns geht es um die Aussagekraft des Materiellen als Medium wissenschaftlicher Erkenntnis. Wir möchten klären, wie eine auf das Materielle gegründete Erkenntnis strukturiert ist und wo ihre Möglichkeiten und Grenzen liegen. Einer der bekanntesten und extremsten gegenwärtigen Vertreter einer um das Materielle errichteten Erkenntnistheorie ist Bruno Latour. Wir wollen daher in paradigmatischer Absicht einen kritischen Blick auf seine „Akteur Netzwerk-Theorie“ werfen. Dabei geht es uns nicht um Detailkritik. Vielmehr möchten wir die Frage beantworten, ob Dinge im sozialen Kontext tatsächlich als „Aktanten“ fungieren oder fungieren können. Über die Analyse der „Sozialität“ des Materiellen zielen wir auf eine Verknüpfung mit der oben erwähnten Hintergrundsproblematik der Restaurierung, Konservierung und Lagerung historischer Dinge. Zugleich werden wir damit auch die Frage im Untertitel beantworten.

Manfred K. H. Eggert
Institut für Ur- und Frühgeschichte und
Archäologie des Mittelalters
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
manfred.eggert@uni-tuebingen.de

Stefanie Samida
Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam
Potsdam
samida@zzf-pdm.de

Hans Peter Hahn                                                                          

Sammlungen – Besondere Orte von Dingen und ihr Eigensinn

Obgleich das Sammeln von Dingen als eine Konstante menschlichen Handelns betrachtet werden kann, ist die Idee der Sammlung als Ort öffentlichen und repräsentativen Charakters sehr viel jünger. Hervorgegangen aus den Schatz- und Wunderkammern der Neuzeit, etabliert sich das Museum als Schnittstelle von Wissensstrukturen, politischer Selbstdarstellung medialer Fokussierung erst im 19. Jahrhundert. Allen Beteuerungen über den geistigen und repräsentativen Charakter des Museums zum Trotz ist es dieser Institution nicht gelungen, die offensichtlichen Prallelen zu dem in gleicher Zeit entstandenen Zwilling, dem Warenhaus loszuwerden. Dinge in der Sammlung sind stets mehr, als die guten Wünsche im Moment der Sammlungsentstehung es erahnen ließen. Der Telos einer Museumssammlung – erkenntnisleitend zu sein, der Artikulation von Wissen zu dienen und historische Momente „einzufrieren“ beschreibt im besten Falle einen Teil der tatsächlichen Existenzbedingungen einer Sammlung. Das Ergebnis dieser Dissonanz ist in den alltäglichen Problemen eines Kustos mit seiner Sammlung abzulesen. Eine Sammlung ist eben nicht nur ein Wissensort, sondern auch ein Problem der Konservierung und der Ordnung. Dieser Eigensinn der Dinge verlangt nach immer neuen und raffinierteren Strategien des Umgangs mit ihnen. Gerade die neuesten Entwicklungen in diesem Feld, die vollständige digitale Erfassung der Sammlungen, erscheint als ein Versprechen auf totalen Zugriff bei minimalem Aufwand. Tatsächlich jedoch bedeutet es einen Rückzug aus der widerspruchvollen Welt des Materiellen und birgt in sich die Gefahr, sich mit einem funktional definierten Set an Informationen an einen beschränkten Zugriff zu gewöhnen. Forschungsfragen werden dann nicht mehr an den Dingen selbst, sondern an die verfügbaren Daten gerichtet. Angesichts solcher Probleme versteht sich dieser Beitrag als ein Plädoyer dafür, die Komplexität und den widersprüchlichen Charakter von Objektsammlungen als eine immanente Eigenschaft zu betrachten. Probleme der Ordnung, Objektkonservierung und der angemessenen Lagerung sind nicht lästige Randerscheinungen, sondern als eine Grundeigenschaft von Dingen zu verstehen.

Hans Peter Hahn
Institut für Ethnologie
Goethe Universität Frankfurt am Main
hans.hahn@em.uni-frankfurt.de

Astrid Hackel                                                                                              

Die tourende Sammlung: Jan Lauwers und Needcompanys Performance Isabellas Zimmer als Gegenentwurf zur Institutionalisierung der Dinge

Seit Juli 2004 wird die Performance Isabellas Zimmer des niederländischen Künstlers Jan Lauwers und der von ihm mitbegründeten Needcompany weltweit erfolgreich aufgeführt. In ihrem Zentrum steht eine reale Erbschaft: Eine auf der Bühne präsentierte Auswahl einer über 5800 archäologische und ethnologische Objekte umfassenden Privatsammlung. Mit dem Tod des Vaters Félix Lauwers (1924 – 2004) hat die Sammlung ihren bisherigen Aufstellungsort und ihre einstige Bestimmung verloren. Die Erbschaft impliziert einerseits die Möglichkeit eines Neuanfangs, andererseits die Einsicht in die „Schwere“ ihres Antritts und die damit einhergehende, ethische (und logistische) Verantwortung. Erst vom Zeitpunkt der unerwarteten Erbschaft wird begreifbar, dass Félix Lauwers nicht nur Vater, sondern auch passionierter Hobbyarchäologe und Sammler war. Dass der Tote zu diesem bis dahin unhinterfragten Aspekt seines Lebens nicht mehr Rechenschaft ablegen kann, gehört zum unbefriedigend-defizitären Anteil der moralischen Erbschaft, die in der materiellen immer enthalten ist (vgl. Derrida: Marx‘ Gespenster). Was bleibt, sind die sehr heterogenen, meist aus dem Alten Ägypten und dem südlich der Sahara gelegenen Afrika stammenden Objekte, deren Geschichte(n) mit ins Grab genommen wurden. Seit dem Tod des Vaters, mit dem – historisch verspätet – aus familialer Sicht auch ein bestimmter Typus, nämlich der unschuldig passionierte Sammler, gestorben ist, werden die gesammelten Objekte nur noch schlaglichtartig live on stage sichtbar gemacht, während sie die meiste Zeit der Dunkelheit von Transportkisten und Lagerräumen ausgesetzt sind. Ihre inzwischen gut acht Jahre andauernde, nomadische Existenz im Rahmen flüchtiger Theateraufführungen lässt sich als bewusst offene, provisorische Antwort auf ein persönliches Dilemma zwischen dem Impuls des Zeigens und dem des Versteckens verstehen.
So positioniert, verweist Isabellas Zimmer exemplarisch auf die gesellschaftliche Ratlosigkeit hinsichtlich eines adäquaten Umgangs mit der exorbitant anwachsenden Zahl der zur Kunst erhobenen, dem sozialen Kreislauf für immer entzogenen Objekte aus Privatsammlungen, Museen und Depots. Der aufführungsimmanente Zirkulationsprozess forciert zum einen die reale „Gefährdung“ der weitgehend schutzlos ausgestellten Objekte, zum Anderen mobilisiert er ihre stetige Transformation durch künstlerische und soziale Praktiken, vor allem in Interaktion mit Performern und Zuschauern. Eingebettet in zeitgenössische Diskurse zur agency der Dinge aus Perspektive der material cultural studies stellt sich die Frage nach dem epistemischen und sinnlichen Zugewinn durch den (Medien-)Transfer der Sammlung von einer geschützten und geordneten Privatsphäre auf die offene, scheinbar chaotische Bühne im Kontext der Aufführung.

Astrid Hackel
Institut für deutsche Literatur
Humboldt-Universität zu Berlin
astrid.hackel@gmail.com

Dominik Collet

Dinge als „disciplinary objects“. Frühe universitäre Sammlungen und die
Naturalisierung neuer Wissensfelder

Sammlungen und Museen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten als Räume der Wissensproduktion wieder entdeckt worden. Der Fokus lag dabei zumeist auf strukturellen Homologien zwischen Sammlung und Labor. Darüber gerät leicht in Vergessenheit, dass Sammlungen neben der Generierung von Wissen auch zahlreiche weitere Funktionen erfüllen: Sie erlauben einen Blick auf die Theatralität von Wissen, die Konstruktion von Evidenz oder die Ressourcen wissenschaftlicher Identitätsbildung. Ihre Objekte lassen sich so als materielle Kristallisationspunkte von Denkkollektiven und Wissenskulturen untersuchen. Der Vortrag illustriert dies am Beispiel des Academischen Museums (1773-1840) der Universität Göttingen. Diese Aufklärungssammlung bildete eine zentrale „contact zone“ von Akademikern und Amateuren, Buchwissen und Dingwissen, von Wunderkammer und Forschungssammlung. Sie brachte neue Akteursgruppen, neue Evidenzprinzipien und neue Wissensfelder an die junge Reformuniversität. Mit den archäologischen, ethnologischen und kunsthistorischen Objekten kamen Forschungen an die Universität, die bisher außerhalb der akademischen Tradition praktiziert wurden. Neue Disziplinen wie die Völkerkunde, die Botanik oder die Archäologie entstanden als eigenständige Fächer in enger Verknüpfung mit der jeweiligen Sammlungen.
Die Dinge verliehen neuen Wissensfeldern eine unbestreitbare Materialität und „naturalisierten“ deren kulturelle Konstruktion. Als „disciplinary objects“ (Kirshenblatt-Gimblett) strukturierten und markierten die Exponate Wissensfelder und –praktiken. Sie wurden so selbst zu Akteuren, die den Wissensbetrieb und seine Ausdifferenzierung bis heute mitprägen. Den Sammlungen kam damit neben ihrer Funktion als Forschungsressource eine zentrale – wenn nicht die Schlüsselrolle – im Prozess der Ausdifferenzierung akademischer Felder und Fächer zu.

Dominik Collet
Heidelberg Center for the Environment
Heidelberg

Susanne Grunwald

„Riskante Zwischenschritte“. Archäologische Kartographie in Deutschland um 1900

In seiner Studie zu einer bodenkundlichen Expedition in den brasilianischen Urwald beschrieb Bruno Latour die Transformationen, denen Untersuchungsobjekte im Verlauf von Forschungsprozessen unterworfen werden (Latour 2000). Latour beobachtete die Wege der Dinge zu den Worten und Zeichen und die Konsequenzen, die solche Transformationsprozesse für den Fortgang der Forschung und das Sprechen darüber haben. Er verwies darauf, dass diese Prozesse u.a. in ihrer Ökonomie überhaupt erst die „Übersicht“ über diese Gegenstände ermöglichen. Solche Übertragungen von Fundplätzen, Befunden und Funden in Zeichensysteme sind auch für die archäologische Wissensproduktion essentielle Praktiken. Ihre Produkte wie z. B. Karten ermöglichen den Überblick über Fundverteilungen auf Ausgrabungen oder landesweit – über die räumliche Verbreitung archäologischer Dinge schlechthin.
Besonders Karten sind inzwischen „kommunikative Selbstverständlichkeiten“ (Gugerli – Orland 2002, 10) der Ur- und Frühgeschichtlichen Archäologie und sie leisten so überzeugend und machtvoll Bestandsaufnahmen ebenso wie Ergebnispräsentationen, dass darüber „ihre instrumentellen Voraussetzungen, ihre Prozeduren und Verfahrensbedingungen“ (Ebd.) kaum mehr hinterfragt werden. Sie gilt es aber zu reflektieren, denn sie sind der tradierte Rahmen, in dem archäologische Funde und Befunde zu verschiedenen Zeichen auf Karten transformiert werden, um Ordnung in die Dinge zu bringen.
Eine Möglichkeit der Annäherung an diese Entstehungsbedingungen archäologischer Karten bietet die historiographische Perspektive. Im geplanten Vortrag soll am Beispiel von Debatten aus der Anfangszeit der archäologischen Kartographie um 1900 aufgezeigt werden, was konzipiert und praktiziert wurde, bevor das Kartieren archäologischer Dinge zur Selbstverständlichkeit wurde. Der Rückblick darauf, wie Potentiale und Grenzen der archäologischen Kartographie ausgehandelt wurden, wird deren inzwischen selbstverständliche Transformationsprozesse verdeutlichen. Dadurch werden auch die „riskanten Zwischenschritte“ erkennbar (Latour 2000, 53), von denen Latour auf dem Weg vom Ding zum Zeichen sprach.

Susanne Grunwald
Lehrstuhl der Ur- und Frühgeschichte
Universität Leipzig
susgrun@rz.uni-leipzig.de

Katja Rösler

Mit den Dingen rechnen: „Kulturen“-Forschung und ihr Geselle Computer

Ziel meines Vortrags ist es, auf Grundlage wissenschaftssoziologischer und theoretischer Studien zu den Wirkungen von Technologie und Software auf die Forschenden und die Forschungen, den Umgang der prähistorischen Archäologie mit einer großen Datenmasse zu beschreiben.
Als Beispiel dienen mir die wissenschaftlichen Tätigkeiten Jens Lünings und seiner Schüler_innen. Lünings akademische Schule zeichnet sich durch die „Verarbeitung“ großer Datenmengen aus, denn ihr vorderstes Ziel ist es, chronologische Abfolgen und räumliche Ausbreitungen von neolithischen „Keramikkulturen“ (Lüning 1972) zu erkennen. Ihr Axiom ist folglich die je vollständige Repräsentation aller bis dato bekannten archäologischen Funde der gewählten zeit-räumlichen Einheit. Zur Bewältigung dieser Masse von Dingen ziehen Lünings Schüler_innen Computertechnologien heran. Diese wirken auf das wissenschaftliche Handeln, die wissenschaftliche Gemeinschaft und letztlich auf das Wissen selbst, denn sie „weben mit am Stoff, aus dem die Gesellschaft ist“ (Latour 1998, 65).
In meinem Vortrag wird deutlich werden, dass das eigentliche Artefakt lediglich eine verhältnismäßig kurze Zeit tatsächlich zugegen ist. Seine „Bearbeitung“ kommt dem Scannen gleich, es wird verrechnet und ein Wissen über es entsteht durch die Geste des Klickens auf die Buttons der Software. Dadurch muss sich die/der Forschende von einer/m Keramik Expertin/en zu einer/m Software-Expertin/en entwickeln. Gelingt ihr/ihm das nicht, so liegt der Schluss nahe, dass die Wissensproduktion allein von der Software geleistet wird, und also das Wissen, das mit hunderten oder tausenden Artefakten belegt wird, zum Beispiel den Algorithmen von Nie, Bent & Hull (1970) zu verdanken ist. Dieser Befund muss Archäologen_innen Sorge bereiten, sind doch die Prämissen einer Software für demoskopische Forschungen womöglich nicht auf archäologische Artefakte übertragbar. Ich meine jedoch, dass die Vernetzungen von Technologien, Menschen und Artefakten, von „Gesten und Know-how“ (Latour 1998, 51), eine andere Form von Wissensproduktion befeuern, die nicht nur mehr archäologische Artefakte sondern auch mehr menschliche und nichtmenschliche Agenten miteinander verbindet und folglich fehlendes Know-how ausgeglichen werden kann. Es bleibt allerdings die Frage, wie eine solche Gemeinschaft aussehen muss und wie die Wissensprodukte aus einem „Hexenkessel mit Computerchips, Organisationen, Subjektivitäten, Software, gesetzlichen Vorschriften, Routinen (…)“ (Latour 1996, 307) letztendlich zu bewerten sind.

Katja Rösler
Institut für Archäologische Wissenschaften, Frühgeschichtliche Archäologie und Archäologie des Mittelalters
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
katjaroesler@ymail.com

Arnica Keßeler

Affordanz, oder was Dinge können!

Dinge stellen einen zentralen Themenbereich in der Archäologie dar. Die Auseinandersetzung mit dem Ding erschöpft sich derzeit leider häufig im Dokumentieren der etwaigen Parameter wie Breiten- und Längenangaben, Gebrauchsspuren oder Fundverteilungen. Diese Analysebereiche die direkt mit den möglichen Nutzungen der Dinge verbunden sind, zeigen jedoch nur einen Teil der möglichen Informationen an, die uns Dinge anbieten. Eine Beschäftigung über diese Bereiche hinaus findet oft nicht statt oder wird durch geläufige Funktionszuweisungen als bekannt angenommen. Ein Grund liegt dabei womöglich darin, dass dem Ding ohne den Menschen das Handeln abgesprochen wird. Die Interaktion des Dings mit dem Menschen wird als bedeutsam hervorgehoben und der Schwerpunkt auf den „handelnden Menschen“ gerichtet. Vernachlässigt werden hierbei die Möglichkeiten, die die Dinge „anbieten“. Diese Affordanzen (Gibson 1982), die die Interaktion zwischen Mensch und Ding erst zulassen und folgend zu einer Handlung führen, wurden in der Archäologie bislang kaum bedacht. Durch diese einseitige, anthropozentrische Betrachtung der Dinge werden Aspekte und Angebote vernachlässigt, die die Dinge aufweisen.
Mit dem Prinzip der Affordanzen – dem Angebotscharakter – kann auch in der Archäologie ein neuer Blick auf die Dinge geworfen werden. Diese Betrachtungsweise stellt das Ding ins Zentrum der Untersuchungen und zeigt (materielle) Möglichkeiten auf, die in Verbindung mit dem Menschen Interaktionen zur Folge haben können. Ich plädiere in meinem Vortrag daher für eine Gleichsetzung der Interaktionsparteien Ding und Mensch um neue Erkenntnisse über deren Wechselbeziehung zu erlangen.

Arnica Keßler
Institut für Vorderasiatische Archäologie
Freie Universität Berlin
keardo@gmx.de

Tatiana Ivleva

A totality of things and objects: multifaceted British-made brooches abroad

Brooches formed part of a dress for any inhabitant of the Roman world; they served to hold two pieces of a person’s clothing together. Up to now 242 British-made brooches have beenidentified on 103 sites across Europe. Being made in Roman Britain and brought overseas for the propose of fastening the clothes, their functional aspect started to be overshadowed by other meanings attached to them by the variety of owners, users and viewers brooches have changed during their lifetime. Once the brooches reached their final owners and entered the archaeological record, they acquired the mixture of identities filled with the variety of meanings and associations.

This paper would like to contribute to the second theme of the conference by illustrating the concept of entanglement of objects and things and using as the example British-made brooches found outside the province of their manufacture. In an essence, each brooch is dual in its uniformity having the essentialised (thing-ness) and multifaceted (object-ness) margin, i.e. the boundaries of the brooches’ identities were repositioned in relation to different points of reference (i.e. different users, owners and viewers), although their core identity, as being things, was not erased within the other meanings. The presentation shows how the aspect of entanglement comes into play, when „the thing in its own right” (Hodder 2012, 2) is being an agent of and for other agents without losing its „thinghood”. In this way both thingness and object-ness neither precede nor proceed but are firmly entrenched within one another forming a totality, which provides a playground for myriad of identities to be projected.

Tatiana Ivleva
Factuly of Archaeology
Universität Leiden
tatianaivl@hotmail.com

Reinhard Bernbeck

Akkumulieren ist eine Suchtkrankheit und Archäologie ist ihr Symptom

In diesem Beitrag beschäftige ich mich mit dem Akkumulieren als einer Handlungsweise, die Kultur und Ökonomie seit der Renaissance eng aneinander bindet. Es handelt sich dabei um ein Dispositiv, welches sich durch Kolonialismus und Globalisierung weltweit ausgebreitet hat und anscheinend alternativlos dasteht. In diesem Dispositiv nimmt die Archäologie eine paradoxe Stellung ein: als eines der Hauptsymptome der Akkumulationskrankheit, und zugleich als eines der wenigen Mittel, diese Krankheit sichtbar zu machen und damit gegen sie anzugehen. Die Beispiele, die ich zur Illustration meiner These verwende, stammen aus dem neolithischen Westasien und aus der westlichen Museenwelt.

Reinhard Bernbeck
Institut für Vorderasiatische Archäologie
Freie Universität Berlin
rbernbec@zedat.fu-berlin.de

Raimund Karl

My preciousssss… Oder: every sherd is sacred

Die Vollständigkeit von Beobachtungen ist eine der unabdingbaren (epistemo-)logischen Voraussetzungen für die Möglichkeit, einen positiv beweiskräftigen Induktionsschluß durchführen zu können. Und der Glaube, dass nur Induktionsschlüsse, ausgehend von richtigen und vollständigen Beobachtungen von archäologischen Funden (und Befunden), verlässliche, d.h. letztendlich ‚wahre‘, Erkenntnisse über ur- und frühgeschichtliche Dinge (und Menschen) erzeugen können, ist in der deutschsprachigen Ur- und Frühgeschichte seit wenigstens ihrem Beginn als eigenständiges wissenschaftliches Fach programmatisch festgeschrieben.
Für Österreich schreibt zum Beispiel Moriz Hoernes an keinem geringeren Ort als der methodischen Einleitung zu seiner Habilitationsschrift, mit der er die „k.&k. (Wiener) Schule“ der Ur- und Frühgeschichte begründete, dass der „…Anfang und Fortschritt…“ in der Ur- und Frühgeschichte in „…der Beobachtung nackter Tatsachen, im Aneinanderreihen der einzelnen an sich geringfügigen Wahrnehmungen zu unerschütterlichen Erkenntnissen liegt…“ (Hoernes 1892, 43). Dafür beruft er sich auf Rudolf Virchows Ansichten zur Bedeutung der „…Hilfsmittel der Beobachtung und des Experiments…“ und Virchows Hoffnung, dass die anthropologischen Wissenschaften in Hinkunft „…auf rein induktivem Weg…“ vorwärts schreiten würden (Hoernes 1892, 70).

Dieses neopositivistische Wissenschaftsbild wird seitdem in der deutschsprachigen Ur- und Frühgeschichte völlig unreflektiert als „einzig wahre“ Art der Erzeugung archäologischen Wissens von Generation zu Generation weitergegeben; es ist zum fachlichen Dogma geworden. Aus diesen Voraussetzungen ergibt sich jedoch logisch zwingend ein ganz bestimmtes Verhältnis des Faches zu den (archäologischen) Dingen: das (archäologische) Ding ist Objekt unserer (hoffentlich) „richtigen“ Beobachtungen. Aus diesen Beobachtungen wollen wir induktiv die Wahrheit erschließen. Dazu ist die Vollständigkeit der Beobachtungen erforderlich. Es folgt zwingend: jedes archäologische Ding ist ein unendlich wertvoller Schatz, ist heilig, muss für immer aufgehoben und in nur Eingeweihten zugänglichen Repositorien aufbewahrt werden, weil jeder andere sie absichtlich oder unabsichtlich zerstören könnte. Nur so lässt sich sicherstellen, dass unsere Beobachtungen beliebig (experimentell) wiederholbar bleiben und unsere Wissenschaft nicht auf anderem als rein induktivem Weg vorwärts schreiten muss. Massendinghaltung ist also eine notwendige Folge unseres epistemologischen Ansatzes.

Raimund Karl
School of History, Welsh History and Archaeology
Prifysgol Bangor University
r.karl@bangor.ac.uk

Sabine Rieckhoff

Ist das Archäologie oder kann das weg?

Wissenschaft und Kunst lassen sich als einander überschneidende Symbolsysteme verstehen, mit denen Welten beschrieben und erzeugt werden. Es ist daher ebenso legitim wie reizvoll, die Frage des material turn und der archäologischen „Massendinghaltung“ aus einer bestimmten Sicht der Kunst zu hinterfragen, die vor rund 100 Jahren mit Marcel Duchamp’s objets trouvés begann, den Ding-Charakter des Kunstwerkes zu entdecken und symbolisch zu transformieren. Die Concept art der 1960er Jahre radikalisierte diesen Ansatz und identifizierte Dinge als Kunstwerke, deren Aussage nicht mehr autonome Objekte (Bilder, Skulpturen, Fotos, etc.) waren, sondern Form gewordene Konzepte zur Entstehung, Nutzung und Bedeutung von Dingen. Berühmt wurde Joseph Beuys‘ „Badewanne“ (1960), nachdem deren Symbolik einer übereifrigen Reinigungskraft zum Opfer gefallen war, ein Schicksal, das vor zwei Jahren auch Martin Kippenbergers Trog erlitt und die medienwirksame Frage evozierte: „Ist das Kunst oder kann das weg?“ Aber nicht nur in der Schlüsselrolle der den Alltag entnommenen Dinge, auch in Stilmitteln wie Wiederholung und Masse und nicht zuletzt im Einsatz digitaler Medien wird die Homologie zwischen Concept art und Prähistorischer Archäologie sichtbar: Auch in der Archäologie ist die Individualität des wissenschaftlich und kommerziell kostbaren Einzelobjektes oder –befundes (Beispiel „Fürstengrab“) an den Rand gedrängt worden von unansehnlichen Massen (Beispiel Großgrabung); auch hier ist an die Stelle der Ikone das Kollektiv der Dinge getreten, deren Konzepte – ihr einstiger sozialer Stellenwert – mit Hilfe quantitativer Methoden (re)konstruiert werden soll. Denn auch die Archäologie glaubt, dass das Gesetz der Serie einen Querschnitt durch Raum (Gesellschaft) und Zeit (Geschichte) ermöglicht, obwohl auch sie längst eingesehen haben müsste, dass sich Konzepte nur schwer „dingfest“ machen lassen. Aber so wie sich die Kunst immer mehr auf die Konzepte konzentrierte und dafür die Form vernachlässigte, bis sie „buchstäblich“ nur noch aus Worten bestand, so klammert sich die Archäologie an Fragen, die seit dem Historismus von den Schriftquellen diktiert werden. So wie die Concept art aus Mangel an Gestalt und Gestaltung heute quasi verhungert, so könnte auch die Archäologie aussterben, wenn sie nicht lernt, die gestalterischen (d. h. narrativen) Qualitäten ihrer Dinge zu nutzen. Wenn ihr das aber gelingt, wird sich die im Titel gestellte Frage von selbst beantworten. Allerdings könnten die Antworten je nach Kontext unterschiedlich ausfallen.

Sabine Rieckhoff
Lehrstuhl für Ur- und Frühgeschichte
Universität Leipzig
sabine.rieckhoff@online.de

Literaturverzeichnis

Burmeister, S. Nach dem Post-, Forum Kritische Archäologie 1, 2012, 45–51, URL: http://www.kritischearchaeologie.de/repositorium/fka/2012_1_07_Burmeister.pdf.

Gibson, J. Wahrnehmung und Umwelt. Der ökologische Ansatz in der visuellen Wahrnehmung (München, Wien 1982).

Gugerli, D. – Orland B. Einführung. In: Dies. (Hrsg.), Ganz normale Bilder. Historische Beiträge zur visuellen Herstellung von Selbstverständlichkeit. Interferenzen 2 (Zürich 2002) 9-16.

Haraway, D. J. A Cyborg Manifesto. Science, Technology, and Socialist-Feminism in the Late Twentieth Century. In: Donna J. Haraway (Hrsg.), Simians, Cyborgs, and Women: the Reinvention of Nature (New York 1991) 149–181.

Hoernes, M. Die Urgeschichte des Menschen nach dem heutigen Stand der Wissenschaft (Wien, Pest & Leipzig 1892).

Hodder, I. Entangled. An archaeology of the relationships between humans and things (Malden 2012).

Latour, B. Social theory and the study of computerized work sites. In: Wanda J. Orlinokowski/Geoff Walsham (Hrsg.) Information Technology and Changes in Organizational Work (London 1996) 295-307.

Latour, B. Über technische Vermittlung. Philosophie, Soziologie, Genealogie, In: Werner Rammert, Technik und Sozialtheorie (Frankfurt am Main/New York 1998) 29-81.

Latour, B. Zirkulierende Referenz. In: Bruno Latour, Die Hoffnung der Pandora (Frankfurt am Main 2000) 36-95.

Lüning J., Zum Kulturbegriff im Neolithikum, Prähist. Zeitschr. 47, 1972, 145–173.

Nie, N. /Bent, D./Hull, C. H. SPSS: Statistical Package for the Social Sciences (New York 1970).

Stockhammer, P. W. Performing the Practice Turn in Archaeology, Transcultural Studies 1, 2012, 7–42.