Geschichte der Theorie AG / AG TidA

Wie alles begann – Teil 1

Im Dezember 1990 wurde die Theorie-AG gegründet. Die Gründung kann als logische Konsequenz verschiedener Versuche in den vergangenen Jahren, eine Theoriediskussion in der Ur- und Frühgeschichtsforschung zu entfachen, verstanden werden. Die Theorie-­AG steht somit in der ideellen Tradition des Unkeler Kreises, sowie der autonomen Studenten­-Seminare an deutschen Universitäten seit 1988/89. Der konkrete Anlaß zur Gründung einer Arbeitsgemeinschaft war durch die Zusammenkunft von rund 40 Prähistorikerinnen bei der Tagung der Theoretical Archaeology Group in Lampeter, Wales, vom 16.­19.12.1990, gegeben. Einige der Anwesenden hielten dort Vorträge in der Sektion „All quiet on the western front:…“, die dem englischen Publikum die derzeitige Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Ur-­ und Frühgeschichtsforschung in Deutschland vorzustellen versuchte (Vgl. HÄRKE 1990).

Die Theorie-­AG möchte vorrangig «Lust auf Theorie» und Denkanstöße vermitteln. Die Theorie­AG beurteilt die bevorzugte Zusammenarbeit der Vor­- und Frühgeschichts­forschung mit Naturwissenschaften in den letzten Jahrzehnten als an sich wertvoll, doch sieht sie auch, daß diese Ausrichtung zur Vernachlässigung geisteswissenschaftlicher, kulturgeschichtlicher und geschichtlicher Fragen im Fach führte. Die Theorie­-AG möchte deshalb die Diskussion mit und in benachbarten Geistes­- bzw. Kulturwissenschaften in den Mittelpunkt ihrer Arbeit stellen. Einige «Schlagworte» mögen die angestrebte Richtung verdeutlichen: Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie (Positivismus, Hermeneutik, Theoriefähigkeit der Geschichtswissenschaft), marxistische Geschichtsphilosophie, Ethnoarchäologie, Neo­Evolutionismus und Gesellschaftsmodelle der Ethnologie. Eine Beschäftigung mit derartigen Fragen wird zwangsläufig zur Diskussion über den Standort der Ur­ und Frühgeschichtsforschung in den Geistes­- und Kulturwissenschaften, zu Sinn-­ und Zweckfragen, führen. Dem schließen sich Probleme der Verantwortung des Wissenschaftlers an, sowie eine Auseinandersetzung über die Präsentation der Ur-­ und Frühgeschichte in der Öffentlichkeit, sei dies in Museen, in Filmen oder in populärwissenschaftlichen Veröffentlichungen. Der von der Theorie­AG angestrebte Diskurs wird auch eine forschungsgeschichtliche Komponente haben und die Diskussion in der anglo­amerikanischen und auch skandinavischen Forschung miteinbeziehen, wobei wir ausdrücklich unsere Eigenständigkeit betonen.

(Die Theorie-­AG wehrt sich insbesondere gegen eine Subsummierung unter den Begriff New Archaeology, da eine solche Pauschalisierung nicht der Realität der breitgefächerten Diskussion in der angloamerikanischen prähistorischen Archäologie entspricht).

Ziel der kurz umrissenen wissenschaftlichen Reflexion soll sein, daß sich neben quellenkritischem Arbeiten auch ideenkritisches und verantwortungsbewußtes Arbeiten durchsetzt und u. a. die vor-­, außer-­ und innerwissenschaftlichen Einflüße in den Arbeiten der Prähistoriker deutlicher zum Ausdruck kommen.

Geplant ist, daß die Theorie-­AG Interessenten kleine Arbeitstreffen mit vorher festgelegten Themenschwerpunkten anbietet und darüber hinaus bei Verbandstagungen mit Vorträgen an die Öffentlichkeit tritt. Unabhängig vom äußeren Rahmen der Veranstaltungen der Arbeitsgemeinschaft wird versucht werden, eine möglichst informelle Atmosphäre zu schaffen, die es auch Studenten erlaubt, sich vor größerem Publikum zu äußern. In dieser Hinsicht sind die Tagungen der britischen Theoretical Archaeology Group, kurz TAG, ohne Zweifel Vorbild und zugleich Ursache des Buchstabenspiels «T­AG», d. h. die Bezeichnung Theorie­-AG soll nicht bedeuten, daß eine Trennung von Theorie und Methode für möglich gehalten wird, jedoch ist die Schwerpunktsetzung gewollt.

Bislang hat die sich Theorie­-AG 1991 bei der Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft für Ur­- und Frühgeschichte in Marburg, bei der Tagung des West­- und Süddeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Heilbronn und bei der Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung in Berlin vorgestellt und bisher über 100 Interessierte in ihren Verteiler aufgenommen. Eine erste Sektion ist für die Tagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung 1992 in Osterode im Harz geplant. Thema: Macht der Vergangenheit ­ Wer macht Vergangenheit?!.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird versucht eine Bibliographie in deutscher Sprache erschienener, theoretisch-­methodischer Arbeiten seit 1945 zu erstellen und zu publizieren.

Bis zur Tagung 1992 liegt die Organisation der AG und der Sektion in den Händen der Autoren dieser Mitteilung, dann sollen Wahlen neuer/alter Sprecher über die weitere Zukunft der AG entscheiden.

Ulrike Sommer, Sabine Wolfram, Martin Schmidt, Angelika Träger & Jörn Jacobs

(Der Text ist erschienen in Archäologische Informationen 1991/1.

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Arbeitsgemeinschaft Theorien in der Archäologie