Rezension zu: Ulrike Rambuscheck (Hrsg.), Zwischen Diskursanalyse und Isotopenforschung.

Ulrike Rambuscheck (Hrsg.), Zwischen Diskursanalyse und Isotopenforschung. Methoden der archäologischen Geschlechterforschung. Frauen – Forschung – Archäologie 8 (Münster/New York/München/Berlin 2009).

von Doreen Mölders

 „Zwischen Diskursanalyse und Isotopenforschung. Methoden der archäologischen Geschlechterforschung“ ist die achte Veröffentlichung der Reihe Frauen – For schung – Archäologie , die von der FemArcEdition herausgegeben wird. Unter der Herausgeberschaft von Ulrike Rambuscheck ist dieser Band aus der 3. Sitzung der AG Geschlechterforschung auf der 78. Jahrestagung des Nordwestdeutschen Verbandes für Altertumsforschung e.V. im Oktober 2007 in Schleswig hervorgegangen, wenngleich die hier versammelten Beiträge nicht identisch mit dem Vortragsprogramm sind. Zwei Vorträge, die nicht abgedruckt werden konnten, wurden durch die Beiträge von Birgit Grosskopf und Liv Helga Dommanes ersetzt und auch der Beitrag von Kurt W. Alt ist durch die Zusammenarbeit mit Brigitte Röder zu einem Großteil neu konzipiert worden.

Der Titel der Aufsatzsammlung verspricht viel. Mit den gewählten Begriffen Diskursanalyse und Isotopenforschung sind zwei Pole abgesteckt, zwischen denen sich nicht nur die archäologische Geschlechterforschung, sondern die Archäologie im Gesamten bewegt. Angespielt wird damit auf die Einbeziehung soziologisch-gesellschaftswissenschaftlicher Konzepte auf der einen und naturwissenschaftlicher Methoden auf der anderen Seite, um die oft in ihrer Aussagekraft als mangelhaft bzw. rudimentär bezeichneten materiellen Quellen der Archäologie interpretieren bzw. deuten zu können. In sechs Artikeln, die in drei große Themenblöcke – Methodisches 1: Geisteswissenschaftliche Methoden, Methodisches 2: Naturwissenschaftliche Methoden und Theoretisches untergliedert worden sind, werden Methoden vorgestellt und geprüft, die sowohl für die Untersuchung von Geschlechterverhältnissen in frühen Gesellschaften als auch für die Beurteilung der Konstruktion von Geschlechterrollen in Abhängigkeit von der Standortgebundenheit eines jeden Forschers/einer jeden Forscherin von Belang sein können.

Gleich der erste Beitrag von Julia Koch stellt eine Methode vor, mit der wissenschaftliche Texte nach ihren impliziten und expliziten Botschaften untersucht werden können. In diesem Fall zielt die Autorin auf die Analyse offener oder versteckter Geschlechterbilder in wissenschaftlichen Texten. Die Rede ist von der in der Sprach- und Kommunikationswissenschaft angewendeten qualitativen Inhaltsanalyse, die in den 1980er Jahren von Philipp Mayring entwickelt worden ist. Ausgehend von der Lasswell‘schen Formel „Wer sagt was mit welchen Mitteln zu wem mit welcher Wirkung?“ werden die Texte systematisch unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte untersucht.

Am Beispiel ihres eigenen Forschungsthemas und -projekts „Mobilität und Geschlecht“ stellt Koch die Arbeitsschritte einer qualitativen Inhaltsanalyse vor, wie sie von Mayring herausgearbeitet worden sind, wobei sie die ursprünglich elf Arbeitsschritte auf für ihre Zwecke ausreichende sieben zusammengefasst hat (Bestimmung des Untersuchungsmaterial, Fragestellung der Analyse, Festlegung von Analysetechniken, Ablaufmodell und Analyseeinheiten, die Analyse selbst, die Verifizierung, die Interpretationen und die Offenlegung der Gütekriterien).

Daneben verweist die Autorin zu Recht auf die erforderliche Selbstreflexion bei jeder Form von Textanalyse. Nicht nur die wissenschaftliche Arbeit, sondern auch die persönlichen Interessen, das Vorwissen und der kulturelle Hintergrund des Forschers/der Forscherin sind entscheidend, für die abschließende Interpretation ebenso wie für die Festlegung der Fragestellung und Auswahl der Analysetechniken.

Als vorläufiges Ergebnis des noch laufenden Forschungsprojekts hält Koch fest, dass Frauen als soziale Gruppe in prähistorischen Rekonstruktionen zwar häufiger als Männer genannt werden, aber durch die Wahl entsprechender sprachlicher Mittel wie Verben aus passiven Tätigkeitsbereichen oder wenig differenzierte Substantive mit deutlich eingeschränkteren Handlungsbildern beschrieben werden. Dies überrascht nicht und wäre für ein abschließendes Ergebnis auch nicht ausreichend, fehlen doch beispielsweise nicht nur die Konsequenzen, die sich daraus für die Forschung ergeben, sondern auch weiterführende diskursanalytische Untersuchungen. Anregungen für eine solche Beurteilung bieten bekanntermaßen Philipp Sarasin (2003) und Achim Landwehr (2008) .

Der Beitrag von Raimund Karl rückt unter dem Titel „Komplizierte Verhältnisse“ die sexuellen Beziehungen, Trennungs- und Unterhaltungsrechte in der Keltiké1 ins Blickfinfeld. Als Grundlage für seine Beschreibung dienen ihm antike Schrift- und frühmittelalterliche Textquellen. Ausgangspunkt für die von Karl postulierte Vergleichbarkeit (oder besser Ähnlichkeit) eisenzeitlicher und frühmittelalterlicher Verhältnisse ist die Komplexitäts- bzw. Chaostheorie, die komplexe Interaktionssysteme beschreibt und damit dem Verständnis von historischen Prozessen dienen kann. Für Karl sind historische Systeme als „chaotisch“ zu bezeichnen, da ihre einzelnen Elemente nach mehreren Möglichkeiten interagieren können, wobei der „Zufall“ letztendlich eine gewisse Rolle spielt. Andererseits verfügen auch komplexe Systeme über eine Reihe von universellen Eigenschaften, die sich mathematisch aus den Beziehungsstrukturen ergeben. So ist jede historische Entwicklung von den Anfangsbedingungen abhängig, die wiederum schon bei geringen Unterschieden zu massiven unterschiedlichen historischen Entwicklungen führen kann. Dennoch unterliegen – so Karl – auch Entwicklungen bestimmten Wahrscheinlichkeitsgesetzmäßigkeiten, wenn auch nicht im individuellen Sinne, sondern nur im Vergleich charakteristischer Merkmale. Es sind diese theoretischen Voraussetzungen, die es dem Verfasser ermöglichen, von seinem Quellenbestand, den antiken und frühmittelalterlichen Schriftquellen auf die eisenzeitlichen Verhältnisse zu schließen.

Karl stellt nun für die Rekonstruktion des eisenzeitlichen Sexualbeziehungs-, Trennungs- und Unterhaltsrechts folgendes Modell auf (57 ff.). Die sozial angesehenste Form sexueller Beziehungen dürfte die auch von Caesar beschriebene „gallische Ehe“ gewesen sein, bei der wohl beide Partner zu gleichen Teilen ökonomische Mittel beigetragen haben. In der Ehe sei der Besitz dann gemeinschaftlich verwaltet und bei einer Scheidung wahrscheinlich auch gleichmäßig geteilt worden. Eingeräumt wird aber auch die Möglichkeit von Ehen, bei denen in unterschiedlich hohem Maß Mittel eingebracht worden sind, was sich sowohl auf die Verteilung des Vermögens als auch auf die Vormundschaft über die Kinder ausgewirkt haben dürfte. Neben diesen „Ehen“ habe es nach Karl auch „Verhältnisse“ gegeben, die zwar weniger hoch angesehen, aber durchaus sozial akzeptiert gewesen seien. Zu rechnen sei auch mit negativ besetzten bzw. verbotenen sexuellen Beziehungen wie „Liebschaften“ und „Brautraub“. Die verschiedenen Formen der Beziehungen sind dementsprechend mit unterschiedlichen Geschlechterrollen verbunden gewesen, wobei die Skala hier von einer praktischen Gleichstellung („Ehe mit gleichem Beitrag“) bis zur vollständigen Abhängigkeit der Frau vom Mann (z.B. Brautraub) gereicht haben dürfte. Ebenso wie der rechtmäßige Vollzug einer „Ehe“ ist für den Verfasser natürlich auch bei rechtmäßigen Scheidungsgründen wie Impotenz, Untreue etc. die Beendigung einer Beziehung mit anschließender Neuwahl denkbar, was zu komplexen Verwandtschaftsverhältnissen geführt haben wird. Dieses von Karl entworfene Modell beschreibt also eisenzeitliche Beziehungsgeschichten in Mittel- und Westeuropa als ziemlich komplizierte Verhältnisse mit weitreichenden Konsequenzen für die Interpretation archäologischer Befunde hinsichtlich sozialer Familienverbände oder Siedlungsdiskontinuitäten. Zu Recht wendet sich Karl mit seinem komplexen Beziehungsmodell mit Mehrfachbindung, Trennungen, Scheidungswaisen und Unterhaltsstreitigkeiten gegen ein auf die mitteleuropäische Eisenzeit übertragenes „viktorianisch-biedermeierliches Weltbild“ mit in „glücklicher trauter Zweisamkeit“ lebenden Kleinfamilien (63). Der Einwand, dass es uns allein anhand archäologischer Quellen nie möglich ist, tragfähige Beweise für eine solche Interpretation zu erbringen ist in diesem Fall irrelevant, denn Karls Schlussfolgerungen bauen stringent auf seinen theoretischen und analogen Grundlagen auf und das ist das ausschlaggebende beim wissenschaftlichen Arbeiten.

Im Kapitel „Methodisches 2: Naturwissenschaftliche Methoden“ sind die Artikel von Birgit Grosskopf und Kurt W. Alt und Brigitte Röder zusammengefasst.

Die Anthropologin Birgit Grosskopf nimmt hierin Stellung zur Bestimmungssicherheit morphologischer Geschlechtsdiagnosen am Leichenbrand, die aufgrund der starken Fragmentierung und Schrumpfung der Knochen noch immer als schwächste Analysemethode gelten muss. Dennoch plädiert die Autorin für die standardmäßige Anwendung/Durchführung, da auch bei nur 60% Bestimmungssicherheit noch immer ein Erkenntnisgewinn zu erwarten ist. Der hohe Grad an Unsicherheit der Geschlechtsdiagnose von brandbestatteten Individuen führt bei einer Deckungsungleichheit zwischen anthropologischer und archäologischer Bestimmung oft zu einer Korrektur von Seiten der Archäologie. Gerade hier plädiert die Autorin für eine Zusammenarbeit zwischen AnthropologInnen und ArchäologInnen, um die Dateninterpretation optimieren zu können.

Weitaus kritischer setzen sich Kurt W. Alt und Brigitte Röder mit der anthropologischen Geschlechterforschung auseinander. Sie bemängeln die fast ausschließlich biologisch-medizinische Forschungsausrichtung der Prähistorischen Anthropologie, bei der das biologische Geschlecht (sex) im Sinne des biologisch/medizinisch bipolaren Geschlechtermodells im Vordergrund steht, Intersexualität zwar mitgedacht, aber keine praktische Relevanz besitzt. Dabei täte die anthropologische Mainstreamforschung gut daran, sich einem eher geistes- und sozialwissenschaftlich ausgerichteten Verständnis von Geschlechterforschung zu öffnen und in Anlehnung an Therese Frey Steffen (2006, 12) „Geschlechterverhältnisse als strukturierte und strukturierende Bedingungen menschlicher Gemeinschaften und Gesellschaften“ zu analysieren (87). In diesem Fall wären Fragen zu Gesundheit, Lebenserwartung, sozialen Rollen, Status und kulturellen Praktiken in die anthropologische Geschlechterforschung mit zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung feministischer und geschlechtstheoretischer Naturwissenschaftskritik wären diesbezüglich vor allem durch die Entwicklung und Anwendung neuer Methoden wie bioarchäometrische Analyseverfahren sehr präzise geschlechtergeschichtliche Aussagen zu erwarten. So erweitern molekulargenetische Verfahren und Isotopenanalysen den Zugang zu kollektiven und individuellen Identitäten, matri- und patrilinearen Verwandtschaftsverhältnissen sowie Residenzregeln (Patri-/Matrilokalität) maßgeblich. Alt und Röder sehen aber auch, dass von Seiten der prähistorischen Archäologie das Potential der anthropologischen Geschlechterforschung noch nicht ausreichend wahrgenommen, im Zweifelsfall sogar konterkariert wird. Ein Zustand, der nur durch mehr Interdisziplinarität und gegenseitige Aufklärung behoben werden kann. An dieser Stelle sei noch auf einen weiteren wichtigen Punkt dieses Artikels verwiesen. Zurecht machen Alt und Röder darauf aufmerksam, dass die Einbeziehung des in den 1970er Jahren entstandene Sex-Gender-Konzept oft vergessen lässt, wie stark biologische und soziale Aspekte von Geschlecht miteinander verwoben sind (117) und die disziplinäre Fragmentierung (sex = naturwissenschaftliche Disziplinen/gender = Geistes- und Sozialwissenschaften) dieser Erkenntnis nicht gerecht wird. In diesem Sinne ist der Artikel als Plädoyer für die Erarbeitung eines archäologisch/anthropologischen Geschlechterkonzepts zu verstehen, dass biologische und soziokulturelle Aspekte von Geschlecht gleichermaßen einbezieht und uns erlaubt Geschlechtergeschichte tatsächlich im Rahmen einer interdisziplinären Zusammenarbeit zu schreiben.

Das Kapitel „Theoretisches“ umfasst den Artikel von Kerstin Hofmann zu „Grabbefunde zwischen sex und gender“ und Liv Helga Dommasnes Ausführungen zu „Ethnizität und sozialer Status. Rahmenbedingungen für das Leben von Frauen und Männern“.

Ausgehend von der defizitären Methodendiskussion zur Quellengattung ‚Grab‘ widmet sich Hofmann den Interpretationsproblemen und -möglichkeiten von Grabbefunden im Kontext archäologischen Geschlechterforschung. Dem Vorhaben förderlich legt die Autorin einleitend sowohl ihr Geschlechterkonzept als auch ihre Einschätzung zum historischen Aussagewert der archäologischen Quelle Grab offen. Demzufolge sieht auch Hofmann die Probleme, die sich aus der Unterscheidung zwischen sex und gender ergeben, wenngleich sie letztendlich aus analytischen Gründen für die Beibehaltung der Trennung plädiert, sex und gender jedoch nicht als distinktes, binäres Gegensatzpaar, „sondern als miteinander in Wechselbeziehung stehende Komponenten einer Einheit“ auffasst (135). Hinsichtlich der Interpretation von Grabbefunden als archäologische, hochgradig fragmentierte Quelle bedient sie sich des Spurenparadigmas nach Lüthe (1987) [fehlt im Lit-Verzeichnis], wonach archäologisch nur dasjenige Verhalten vergangenen Lebens fassbar ist, das sich dauerhaft materialisiert. Daneben gilt es, die Vielfältigkeit der Einflüsse auf das Totenbrauchtum wie bspw. die soziale Stellung, Jenseitsvorstellungen, Herkunft u. Ethnizität, Todesart usw. zu berücksichtigen, die von der Autorin in Abb. 4 (141) schematisch dargestellt worden ist. Zu Recht hebt Hofmann hervor, dass sich im Befund vor allem die Geschlechterideologie der Bestattungsgemeinschaft niederschlägt, die mit der jeweiligen Lebenspraxis übereinstimmen kann, aber nicht muss. Für die Bestimmung von Geschlechterrollen, -varianz und -hierarchie am Grabbefund ergeben sich so in der praktischen Anwendung vier analytische Interpretationsebenen (1. menschliche Überreste, 2. Grabausstattung, 3. Bestattungsform und Grabbau und 4. Lage des Grabbefunds), die von der Autorin beispielhaft dargestellt werden. Es ist die Kombination von Transparenz in der Argumentationsführung und konkreter Anleitung geschlechtsgeschichtlich ausgerichteter Gräberfeldanalysen, der eine weite Rezeption dieser Arbeit wünschenswert macht.

Einen in der deutschsprachigen Geschlechterforschung bisher wenig beachteten Aspekt bringt Liv Helga Dommasnes ein, indem sie das Geschlecht als eine Kategorie definiert, die mit den meisten anderen sozialen Einteilungen wie Ethnizität oder Status verwoben ist, sich die verschiedenen Kategorien gegenseitig also grundlegend beeinflussen (164).2 Dommasnes nähert sich diesem Thema anhand eines Überblicks zur Ethnizitäts- und Statusdiskussion seit den 1970er Jahren in der nordeuropäischen Forschung und spricht sich in Anlehnung an Sian Jones (1997) für einen mehrdimensionalen, interessengeleiteten Ethnizitätsbegriff aus, hält aber gleichzeitig den bourdieuschen habitus-Begriff für sinnvoll, wenn es darum geht „sich Vorstellungen davon zu bilden, wie Individuen Gemeinschaft empfinden“ (170). Der Begriff sozialer Status dient ihr vor allem zur Beschreibung von Unterschieden zwischen Menschen in einer sozialen Hierarchie. Auf dieser Grundlage und unter Einbeziehung des Klassen- und Machtstrukturenmodells nach Gerhard Lenski (1966) diskutiert die Verfasserin die Herleitung ethnischer und sozialer Gruppen in der Eisenzeit in Norwegen.

Die feministische Perspektive in Dommasnes Aufsatz macht sich weniger durch einen explizit auf Geschlechterrollen ausgerichtete Analyse als vielmehr durch die weit gefassten Begriffsdefinitionen von Ethnizität und Status bemerkbar, die – wie sie selbst einräumt – „etwas unpräzise“ lediglich als eine Art Gruppenidentität beschrieben werden. Auf diese Weise ist es aber möglich, eine erwachsene Frau in einer vorgeschichtlichen Gesellschaft idealtypisch zur selben Zeit als Tochter, Ehefrau, Mutter, Hausherrin, Ärztin und Betreuerin mit den damit verbundenen verschiedenen Status- und Identitätsebenen zu beschreiben. Andererseits betont die Verfasserin, dass das Geschlecht eine soziale Kategorie darstellt, die Rahmen setzt und folglich bei allen Gesellschaftsanalysen mitzudenken und einzubeziehen ist. Das macht viele Untersuchungen in gewissen Punkten komplizierter, schafft aber Raum für neue Fragen an das prähistorische Material. Wie so etwas genau aussehen kann, zeigt Dommasnes an ihrem Beispiel zur individuellen Identität und sozialen Mobilität in nordgermanischen Gesellschaften.

Die Beiträge zeugen vom hohen Potential der Geschlechterforschung für eine vielschichtige und bildreiche Beschreibung früher Gesellschaften. Zwar ist der Buchtitel etwas hochgegriffen, angesichts dieses kleinen Gebindes aus dem inzwischen recht bunten Theorie- und Methodenkanon der Geschlechterforschung und kann Standardwerke wie beispielsweise „Gender archaeology“ (Sørensen 2000) oder „Handbook of gender in archaeology“ (Nelson 2006) nicht ersetzen, doch sind die meisten Artikel wegen ihres konkreten Anwendungsbezugs der Problemstellung und durch die auch über die Geschlechterforschung hinausgehenden Ansätze zur Interpretation archäologischer Quellen von Gewinn. Schwachpunkt ist die Gliederung der sechs Artikel, die den Forderungen nach einer interdisziplinären Zusammenarbeit und der Verschmelzung natur- und geisteswissenschaftlicher Ansätze entgegensteht. Auch ist die Aufteilung der Artikel von Koch, Karl, Hofmann und Dommasnes in Methoden und Theoretisches inhaltlich nicht nachvollziehbar. Hier wird wohl die äußere Form maßgebend gewesen sein.

Doreen Mölders M.A.
Universität Leipzig
Historisches Seminar
Professur für Ur- und Frühgeschichte
Ritterstr. 14
04277 Leipzig
moelders@uni-leipzig

 

 

1 Keltiké ist für Karl eine „…raumzeitliche Einschränkung einer Verbreitung keltischer Kulturformen“, die sich überall dorthin erstreckt, „wo wir Personen finden können, die wir nach den genannten Kriterien als „Kelten“ bezeichnen können, und kann gleichzeitig auch römisch, germanisch, englisch sein …“ (Karl 2003, 23).

2 Bei dem Beitrag von Dommasnes handelt es sich um eine Übersetzung des bereits 1999 veröffentlichten Beitrags “Etnisitet og sosial status. Rammer rundt kvinner og menns liv“. Arkeologiske skifter fra Universitetet i Bergen 10, 1999, 42-60.

Literatur

Frey Steffen 2006: Therese Frey Steffen, Gender (Leipzig 2006).

Jones 1997: Sian Jones, The archaeology of ethnicity. Constructing identities in the past and present (London/New York 1997).

Karl 2003: Raimund Karl, Überlegungen zum Verkehr in der eisenzeitlichen Keltiké. Wiener keltologische Schriften 3 (Wien 2003).

Landwehr 2008: Achim Landwehr, Historische Diskursanalyse (Frankfurt/Main 2008).

Lenski 1966: Gerhard Lenski, Power and Privilege. A Theory of Social Stratification (New York 1966).

Lüthe 1987: Rudolf Lüthe, Wissenschaftliche Methode und historische Bedeutung. Philosophische Untersuchungen zu Problemen der Geschichtserfahrung (München 1987).

Nelson 2006: Sarah Milledge Nelson, Handbook of gender in archaeology (Oxford 2006).

Sarasin 2003: Philipp Sarasin, Geschichtswissenschaft und Diskursanalyse (Frankfurt/Main 2003).

Sørensen 2000: Marie Louise Stig Sørensen, Gender archaeology (Cambridge 2000).